© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

„Mein Eldorado heißt Angola“
Portugal: Euro-Krise und Sparmaßnahmen treiben viele Portugiesen in die ehemalige Kolonie
Michael Ludwig

Vor dem angolanischen Konsulat in Lissabon bildet sich jeden Tag eine Schlange von Wartenden, die von Mal zu Mal länger wird. Unter denen, die Einlaß begehren, befindet sich Antonio Fernandes, 36 Jahre alt. „Das Auffälligste an ihm ist sein Borsalino-Hut, den er mit einer gehörigen Portion Stolz zur Schau stellt“, berichtet die Tageszeitung El Pais. Aber auch sonst unterscheide er sich von den anderen – er spricht mehrere Sprachen fließend, besticht durch seine perfekten Manieren. Am meisten aber fasziniert das feine Lächeln, das seine Lippen umspielt. El Pais nennt es, das „Anti-Krisen-Lächeln“.

Antonio Fernandes begreift den ökonomischen Niedergang seines Heimatlandes Portugal als die Chance seines Lebens, und er ist fest dazu entschlossen, sie zu nutzen. Der 36jährige ist in der Energiewirtschaft tätig, betreibt ein eigenes Unternehmen, und ist gerade dabei, ein neues 40köpfiges Mitarbeiterteam zu rekrutieren. Das Konsulat des südwest-afrikanischen Staates soll ihm dabei behilflich sein, denn dorthin soll die Reise gehen. „Portugal bietet mir gegenwärtig keine Perspektive. Also nichts wie weg! Mein Eldorado heißt Angola.“

Noch vor einigen Jahren galt der afrikanische Staat für diejenigen, die es zu einem schnellen wirtschaftlichen Erfolg bringen wollten, als Geheimtip. Heute, in den Zeiten des Euro-Desasters und der brutalen Sparhaushalte, pfeifen es die Spatzen von den Dächern Lissabons, daß in Angolas Hauptstadt Luanda gut ausgebildete Fachkräfte dringend gesucht werden.

Im Schatten der vielen politischen und ökonomischen Krisen weltweit hat sich die ehemalige portugisische Kolonie, nach 27 Jahre dauerndem Bürgerkrieg, der erst 2002 sein Ende fand, zu einem erstaunlich prosperierenden Staat gemausert.

Die schnelle Erholung verdankt Angola dem Öl. Seit 2008 ist das Land der größte Erdölproduzent Afrikas. Im Inneren des Landes gibt es ertragreiche Diamantenminen sowie große Farmen, die Kaffee und Kakao anpflanzen und exportieren. Vor kurzem wurden an der Grenze zu Namibia Uranvorkommen entdeckt. 2009 wies Angola in seinem Staatshaushalt einen Überschuß von drei Milliarden US-Dollar aus, und der Boom, so scheint es, ist nicht zu bremsen. Auch in diesem Jahr wird ein zweistelliges Wachstum erwartet.

Es erscheint wie ein Treppenwitz der Geschichte – Portugiesen, die als ehemalige Kolonialherren das Land ausgeplündert haben, kehren nun als Arbeitskräfte dorthin zurück. Eine von ihnen ist die 34 Jahre alte Volkswirtschaftlerin Isabel Ferreira: „Ich verdiene in Portugal 600 Euro im Monat, in Angola das Dreifache.“ Sie wird ihrem Mann folgen, der vor einem Jahr nach Luanda gegangen ist. Vor allem Ingenieure, Techniker, Betriebswirtschaftler, Professoren und Rechtsanwälte sind willkommen. In den letzten Jahren sind etwa 24.000 Portugiesen nach Angola ausgewandert. Nach Angaben des Präsidenten des portugiesischen Unternehmerverbandes AIP-CCI, José Eduardo Marcelino Carvalho, leben dort inzwischen über 130.000 Landsleute. Die Zahl der portugiesischen Betriebe in Angola wird auf rund 7.000 beziffert.

Für viele Einwanderer ist es kein fremdes Land, in das sie kommen, denn in Angola ist Portugiesisch Staatssprache, das Rechtssystem ist lusitanisch geprägt, und die lange gemeinsame Geschichte hat allenthalben ihre Spuren hinterlassen. Dennoch träufelt Antonio Fernandes ein paar Wermutstropfen in den Becher der freudigen Erwartung: „Die Hauptstadt Luanda ist kein paradiesischer Ort. Manchmal sind die Straßen voller Abfall, es ist gefährlich, nachts auszugehen, tagsüber gibt es endlose Staus in den Straßen, und in vielen Ämtern herrscht Korruption. Luanda ist nichts für kleine Mädchen.“

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