© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Lockerungsübungen
Zeit für eine Erfolgsbilanz
Karl Heinzen

Vor zehn Jahren wurden auf dem Petersberg bei Bonn die Weichen für ein friedliches, demokratisches und prosperierendes Afghanistan gestellt. Wenn die Vertreter der Staatengemeinschaft nun an den historischen Ort zurückkehren, um das Ende des internationalen Militäreinsatzes ins Auge zu fassen, können sie zufrieden auf das Erreichte zurückblicken.

Zum einen ist Afghanistan nicht länger ein Ausgangspunkt und Rückzugsraum für den islamistischen Terrorismus. Dieser war vielmehr gezwungen, in andere Weltregionen auszuweichen und seine Strategie zu modernisieren. Da sich in manchen arabischen Ländern ein seinen Vorstellungen entsprechender Wandel vollzieht, droht ihm zudem seine ideologische Basis wegzubrechen. Wo anerkannte Islamisten an die Macht gelangen, gehen terroristischen Ultras die Argumente aus, die einen Einsatz von Waffengewalt zur Errichtung eines gottgefälligen Regimes rechtfertigen.

Zum anderen kann zwar noch nicht davon gesprochen werden, daß in Afghanistan Frieden eingekehrt wäre. Allerdings haben zivile Opfer anders als in den Wirren nach dem Abzug der Sowjetarmee heute einen Sinn. Es gibt die Vision von einem besseren Afghanistan, die den Menschen die Kraft gibt, nicht den Mut zu verlieren. Die einheimischen Streit- und Polizeikräfte haben an Qualität und Umfang dermaßen zugelegt, daß sie schon bald die Sicherheitsverantwortung für das Land übernehmen können. Auch wenn sie dieser nicht gerecht werden sollten und sich das staatliche Gewaltmonopol nicht aufrechterhalten ließe, darf man doch zumindest davon ausgehen, daß Bürgerkriege in Zukunft weitaus professioneller als bislang ausgetragen werden können.

Vor allem aber haben die vergangenen zehn Jahre das Selbstvertrauen der Afghanen gestärkt. Immer wieder wurden sie gescholten, sie trügen für ihre politische und ökonomische Rückständigkeit selbst die Schuld. Nun hat sich gezeigt, daß auch der bornierte Westen mit seinen vermeintlichen Patentrezepten nicht vorangekommen ist. Dieser hat dabei aber auch seinen Nutzen aus dem Engagement am Hindukusch gezogen. Als die Nato deklarierte, sie wolle zur globalen Sicherheit ihren Beitrag leisten, argwöhnten manche, sie könnte als Weltpolizei eigene Interessen militärisch durchsetzen wollen. Diese Unterstellung darf nun als unbegründet gelten.

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