© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Blick in die Medien
Kommentarfunktion wurde abgeschaltet
Toni Roidl

Das Internet ist zur universellen Handlungsebene geworden – vom Kauf neuer Schuhe bis zum Sturz von Regimen. Doch wer im Internet agiert, ist nicht immer der, der zu Hause vor dem Rechner sitzt. Er kann sich tarnen oder sogar als ein anderer verkleiden. Die Anonymität im Internet – ist sie ein Fluch oder ein Segen?

Die Anbieter gehen mit dieser Frage unterschiedlich um. Facebook besteht auf „authentischer Identität“. Anders könnte FB auch keine Flugtickets vertreiben. Google+ hingegen eiert herum. Einerseits verlangt es Klarnamen, andererseits will der Internetriese es sich nicht mit identifizierungsscheuen Nutzern verderben. „Das ist alles sehr kompliziert“, stöhnt Googles Chef für soziale Netzwerke, Vic Gundotra. Twitter dagegen gestaltet es lockerer. Nutzernamen wie @FakeSarahPalin sind kein Problem.

Die Debatte hat diesen Hintergrund: Nach Marktuntersuchungen zahlen Firmen weltweit jährlich zwei Billionen US-Dollar für Personendaten von Internetnutzern. Echte Namen und Adressen sind natürlich mehr wert als Pseudonyme. Es gibt aber auch politische Gründe: Bei den Sommerkrawallen in Großbritannien haben Profile mit Klarnamen die Polizei geradewegs an die Haustür von Online-Aufwieglern geführt. Das war in diesem Zusammenhang sehr nützlich, könnte aber eines Tages genauso Verfasser islamkritischer Kommentare bei Onlinemedien betreffen, wenn sich das repressive Klima weiter verschärft.

Andererseits führt die fehlende Identitätskontrolle oft zum Niveau-Limbo in den Kommentarforen: redundante Mitteilungen, Pöbeleien, sinnfreies Gestammel. Doch unsere deutschen Onlinezeitungen haben längst ein Mittel dagegen: Spam und unbehagliche Meinungsäußerungen werden einfach in einem Aufwasch großzügig gelöscht oder gleich die Kommentarfunktion mal wieder abgeschaltet. Wie praktisch.

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