© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Zum Reiches Wohl des Diktators Feind
Zum 130. Geburtstag von Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben: Der ranghöchste General des Widerstandes vom 20. Juli 1944 gegen Hitler
Sigismund von Zedlitz

Am 4. Dezember 2011 jährt sich zum 130. Mal der Geburtstag von Erwin Job Wilhelm Gerog Erdmann von Witzleben, eines der bedeutendsten Männer des deutschen Widerstandes, der nach geglücktem Hitler-Attentat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht hätte übernehmen sollen.

Im Laufe des Lebens, vor allem seines Soldatenlebens, blieb der in Breslau Gebürtige eng mit Schlesien verbunden. So trat er, nachdem er den Soldatenberuf erwählt hatte, 1892 in die traditionsreiche Kadettenanstalt zu Wahlstatt bei Liegnitz ein, neben den immer wieder genannten berühmten Wahlstätter Zöglingen Paul von Hindenburg und Manfred Freiherr von Richthofen ein prominenter Kadettenschüler. Dem typischen Werdegang eines preußischen Offiziers folgend, wechselte 1896 der nun Fünfzehnjährige zur weiteren Ausbildung in die Hauptkadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde. Nach seiner Beförderung zum Leutnant kehrte er nach Schlesien zurück und diente ab 1901, sein Vater war bereits 1896 verstorben, im Liegnitzer Grenadierregiment König Wilhelm I. (2. Westpreußisches) Nr. 7. das von den Liegnitzern stolz und liebevoll „Die Königsgrenadiere“ genannt wurde. Aus der 1907 mit der Chemnitzerin Else Kleeberg geschlossenen Ehe gingen zwei Kinder hervor: Edelgarde und Job Wilhelm.

Mit der 19. Reserve-Infanteriebrigade rückte er als Oberleutnant und Adjutant 1914 ins Feld. 1916 führte er als Hauptmann und Kommandeur das IL Bataillon des 6. Reserve-Infanterieregimentes. Er kämpfte bei Verdun, in der Champagne und in Flandern, wo er schwer verwundet wurde. Nach seiner Verwundung kam er im Frühjahr 1918 zur Generalstabsausbildung. Bei Ende des Krieges war er Ia der 212. Infanteriedivison, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen und dem Hohenzollernschen Hausorden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Erwin von Witzleben in die nunmehr auf 100.000 Mann verkleinerte Reichswehr übernommen und führte 1921/22 als Chef eine MG-Kompanie im 8. Preußischen Infanterieregiment in Liegnitz. Nach Unternehmen des Bataillons im Oktober 1922 gegen kommunistische Hundertschaften in Sachsen wurde er als Quartiermeister zum Major befördert. Daran schloß sich ein steiler Aufstieg mit anderen Aufgaben an. 1931 war er bereits Oberst und Kommandeur des Infanterieregimentes 8 in Frankfurt an der Oder. 1934 als Generalmajor Befehlshaber im Wehrkreis 3 Berlin, ein Jahr darauf Kommandierender General des 3. Armeekorps und 1936 General der Infanterie.

Witzleben gehörte, spätestens ausgelöst von den Morden im Juni 1934 auch am früheren Reichskanzler Kurt von Schleicher während des sogenannten Röhmputsches, zum frühen Personalkreis des Widerstandes gegen Hitler. Bereits im September 1938 war er an den Vorbereitungen eines Versuches, Hitler während der Sudetenkrise abzusetzten, beteiligt. Als Kommandierender General des 2. Armeekorps und Befehlshaber im wichtigen Wehrkreis der Hauptstadt sollte er mit seinen Truppen Hitler verhaften. Witzleben war kein politischer Kopf in der Widerstandsorganisation. Ihm oblag aber der gesamte militärische Ablauf des geplanten Staatsstreiches. So war bereits 1938 er für die Zeit nach Hitlers Sturz als Oberbefehlshaber der Wehrmacht vorgesehen. Schließlich wurde die Aktion durch das Münchener Abkommen mit Chamberlain hinfällig, ebenso ein im Oktober 1939 geplanter Staatsstreich wegen des eingetretenen Kriegszustandes. Von September 1939 bis Oktober 1940 befehligte Generaloberst von Witzleben die 1. Armee im Westen und wurde mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Noch im gleichen Jahr zum Generalfeldmarschall befördert, wurde er Oberbefehlshaber der Heeresgruppe D im Westen. Von April 1941 bis März 1942 war er Oberbefehlshaber West in Frankreich. Danach schied er aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Dienst aus und wurde von Hitler verabschiedet.

1944 war Witzleben eine Schlüsselposition in den Staatssteichplänen der Verschwörergruppe um Graf Stauffenberg zugedacht worden. Als ranghöchster Soldat mußte er sich dafür vor dem Volksgerichtshof wegen „Verrats am Volk“ verantworten. Der berüchtigte Präsident Roland Freisler führte die Verhandlung in gewohnt brutaler, den Angeklagten entwürdigender Art. Noch am gleichen Tage wurde der Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben zum Tode verurteilt und in Plötzensee durch den Strang hingerichtet. Seine an Freisler gerichteten Schlußworte sollen gewesen sein: „Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das empörte und gequälte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leibe duch den Kot der Straßen.“

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