© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Zweikampf der Automobilgiganten
Fahrzeugindustrie: Auch auf der Tokyo Motor Show hat Deutschland derzeit die Nase vorn / Japanische Hersteller leiden unter Bebenfolgen
Albrecht Rothacher

Alle fünf bis sieben Jahre verdoppeln sich die Motorisierungsraten Asiens: Bei Mopeds und Motorrädern wachsen die Nutzerzahlen in China von 55 Millionen (2005) auf 130 Millionen (2035), in Indien im gleichen Zeitraum um das Sechseinhalbfache von 26 Millionen auf 236 Millionen. Bei Pkws legt China von 13 auf 193 Millionen zu, Indiens Pkw-Flotte wächst von 10 auf 80 Millionen in vierundzwanzig Jahren. Nur die ständigen Staus auf den völlig überforderten Straßen bremsen den Verkauf etwas aus. Für die weltweiten Benzin- und Rohstoffpreise, die Luft und die städtische Lebensqualität der betroffenen Großstädte ist dies eine mittlere Katastrophe. Doch führt auf dem Kurs in die Mittelstandsgesellschaften der asiatischen Großmächte am eigenen fahrbaren Untersatz kein Weg vorbei.

Angesichts der Stagnation auf den eigenen Märkten ist Asien für die großen Autohersteller der Zukunftsmarkt, der über ihr Wohl oder Wehe entscheidet. Das gilt speziell für die führenden Qualitätsproduzenten Deutschland und Japan. Dabei haben BMW, VW & Co. nicht nur bei der laufenden „Tokyo Motor Show“ klar die Nase vorn. Allerdings nicht nur aus eigenem Verdienst.

Nach dem Tsunami vom 11. März war angesichts des Ausfalls der Zulieferer bei allen japanischen Herstellern tagelang die Produktion ausgefallen, sie lief danach wochenlang nur mit halber Kraft. So fielen für Toyota ein Drittel seiner 200 Farben aus, weil das erdbebengeschädigte Onahama-Werk der deutschen Merck KGaA zwei Monate geschlossen blieb. Anfragen wurden nur noch aus Darmstadt beantwortet. Kaum hatte man die Engpässe behoben, da legte die Thailand-Flut (siehe Seite 12) nicht nur die dortigen japanischen Autowerke, sondern auch die Elektronik-Lieferanten lahm. Zu allem Überfluß stieg angesichts der Dollar- und Euro-Krise der Yen-Kurs trotz Interventionen der Bank von Japan ins Unermeßliche. Bekam man im Januar noch 123 Yen für einen Euro, sind es nun nur noch 104. Da ist es für die europäischen Wettbewerber ein leichtes, auf den preissensiblen asiatischen Märkten die Nase vorn zu haben. Und die koreanische Konkurrenz ist dank Qualitätssprung (und billigem Won) Deutschen und Japanern dicht auf den Fersen, wie VW-Chef Martin Winterkorn auf der diesjährigen IAA in Frankfurt eingestand. Zudem hat Südkorea mit den USA und der EU Freihandelsabkommen geschlossen. Hyundai & Co. müssen keine Zölle mehr zahlen, die japanische Pkws in der EU beispielsweise um 15 Prozent verteuern. Daher wird Toyota, 2010 noch der größte Pkw-Bauer der Welt, in diesem Jahr den Pokal an VW abgeben müssen und hinter General Motors (GM) auf Platz drei zurückfallen.

Als patriotischer Unternehmer will Akio Toyoda weiter 40 Prozent seiner Autos in Japan herstellen. Angesichts schrumpfender Hausmärkte muß Toyota mindestens die Hälfte exportieren, was nur noch mit Verlust geht. Doch angesichts der Lieferantenengpässe laufen auch die ausländischen Werke nur mit reduzierter Kapazität. Der Börsenkurs ist daher um 20 Prozent gefallen. Das gleiche Schicksal erleidet Honda, die Nummer zwei in Japan. Auch die Vorstellung neuer Modelle fiel angesichts des Zuliefererausfalls buchstäblich ins Wasser. Die Honda-Werke im englischen Swindon und in Nordamerika gingen in Zwangsurlaub.

Suzuki hat andere Sorgen. Bislang kontrollierte der Konzern in Indien mit einer Million Maruti-Kleinwagen die Hälfte des Neugeschäfts. Hartnäckige Streiks bedrohen aber diese Position. Gleichzeitig steht die zweijährige Ehe mit VW vor der Scheidung. Suzuki will selbständig bleiben und nicht die zwölfte VW-Marke werden. Ursprünglich hatten sich die Japaner Zugang zur deutschen Dieseltechnologie erhofft, VW die Teilhabe am Kleinstwagensektor. Doch den 81jährigen Firmenchef Osamu Suzuki ärgert der barsche Ton aus Wolfsburg und die Tatsache, daß ein VW-Jahresbericht Suzuki bereits als Tochterfirma auflistete. Umgekehrt war VW sauer, daß Suzuki darauf bestand, Fiat-Motoren zu beziehen. Suzuki verlangt, VW solle seinen 20-Prozent-Anteil verkaufen. VW hofft dagegen auf die nächste Generation der Firmenleitung.

In China liegen die Japaner noch weiter zurück. Auf dem Mittelklassemarkt im Reich der Mitte duellieren sich VW und GM. Laut VW-Chef Winterkorn ist China für Volkswagen inzwischen die „zweite Heimat“. Das Premiumsegment wird von Audi, BMW, Daimler und Porsche beherrscht. Mit einem neuen Werk in Foshan in Südchina wird Audi bis 2013 bis zu 700.000 Autos jährlich herstellen können. Solange jedenfalls wie die KPCh die Ausländer noch gewähren läßt. Sonst könnte die neue Heimat sehr schnell wieder zur kalten Ferne werden.

 

Dr. Albrecht Rothacher ist Asienexperte. Sein neuestes Buch, „Demokratie und Herrschaft in Japan: Ein Machtkartell im Umbruch“, erschien 2010 im Iudicium-Verlag.

Foto: VW auf der „Tokyo Motor Show“: Konkurrent Toyota will weiter 40 Prozent seiner Autos in Japan herstellen

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