© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Panoptikum der Euro-Krise
Finanzliteratur: Der Wirtschaftshistoriker Michael von Prollius analysiert die gescheiterte Gemeinschaftswährung aus Sicht der „Österreichischen Schule“
Christian Schwiesselmann

Der Euro wird für etwas anderes gehalten, als er tatsächlich ist. Er ist weder Heilsbringer noch Schicksal, sondern lediglich eine von sogenannten Experten in Kommissionen konstruierte Monopolwährung.“ Mit Sätzen wie diesem gehört Michael von Prollius zu den sprachmächtigsten Kritikern des staatlichen Monopolgeldes in Deutschland. In seinem neuen Buch „Die Euro-Misere“ stellt dies der Begründer des Forums Ordnungspolitik abermals unter Beweis.

Der Band versammelt mehrere Dutzend Essays zur Staatsschuldenkrise, die seit Beginn der Krise 2007 auf libertären Blogs wie mises.de und Zeitschriften wie Die Freie Welt, eigentümlich frei oder Smart Investor erschienen sind. Die kurzen Texte (mit Lektüreempfehlungen) tragen Titel wie „Die große Sparverwirrung“, „Keine Angst vor Deflation“, „Das Opeldesaster“ oder „Die Thermometerstürmer“ und bezeugen die scharfe Beobachtungsgabe des Autors.

So redet die Bundesregierung vom Sparen, wo sie tatsächlich nur die Ausgaben kürzt. Dagegen bedeute Sparen, etwas nicht auszugeben, was man habe. „Sparen ist Konsumverzicht heute“, schreibt von Prollius dem Bundesfinanzminister ins Stammbuch, der wohl auch in Zukunft nur kreditfinanzierte Haushalte aufstellen wird.

Der Wirtschaftshistoriker kritisiert nicht nur die Versündigung am Modell der Sozialen Marktwirtschaft, sondern befürchtet mit Walter Eucken den Marsch in den autoritären Wirtschaftsstaat: „Der Staat hat seine Rolle als Schiedsrichter mißbraucht; er hat den Spielern Fesseln angelegt, sie mit üppigen Privilegien ausgestattet und selbst auch noch mitgespielt, etwa in Gestalt von Staatsbanken.“ Indem der Steuerzahler bei der Abwrackprämie, bei den Konjunkturpaketen oder Rettungsschirmen für Banken einspringt, werden Ressourcen fehlgeleitet, Kapital vernichtet und das Haftungsprinzip außer Kraft gesetzt. Dabei kann sich von Prollius bei seiner Kritik am heute üblichen Staatsinterventionismus auf einen CDU-Säulenheiligen berufen: „Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Volkes“, zitiert er Ludwig Erhard. Wie ein guter Arzt tritt Prollius ans Krankenbett des Euro, der Anamnese folgt eine kluge Diagnose, und schließlich legt er mit dem Seziermesser der Österreichischen Schule die Ursachen der Finanzmarktkrise frei. Mises, Rothbard und Hayek sind bittere Pillen für Politiker, die Staatsvermögen verwalten, ohne dafür zu haften.

Die von Prollius verordneten Rezepte und Therapiemaßnahmen – die Abschaffung der Zentralbanken, ein freies Marktgeld, das selbst auf dem Markt in freier Konkurrenz gehandelt wird – dürften dennoch eine Utopie der „idealen Österreichischen Welt“ bleiben. Zum einen, weil der Kredithunger der Wohlfahrtsstaaten ohne Zentralbanken nicht zu stillen ist; zum anderen, weil es in der Realität keine perfekten, sondern immer nur defekte Märkte gibt. Ein konservatives Aber – die Einsicht in die ordnungspolitische Notwendigkeit – mindert den Wert dieses Panoptikums der Euro-Krise indessen nicht.

Michael von Prollius: Die Euro-Misere – Essays zur Staatsschuldenkrise. TvR Medienverlag, Jena 2011, 240 Seiten, gebunden, 22 Euro

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