© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Marineinfanterie gegen „Boxer“: Situative soldatische Radikalisierung
Wahllose Massaker in China
(ob)

Als in China im Mai 1900 die anti-imperialistische und sozialrevolutionäre „Boxer“-Bewegung zum bewaffneten Kampf gegen die europäischen Kolonialmächte überging, kam es zu Gewaltverbrechen, die binnen weniger Wochen 30.000 zumeist christliche Chinesen und 230 „Weiße“ das Leben kosteten. An der Niederschlagung des Aufstandes beteiligten sich zwei deutsche Seebataillone, die noch vor dem mit Wilhelms II. „Hunnenrede“ verabschiedeten Expeditionskorps im August 1900 im Reich der Mitte eintrafen, als Truppen der Westmächte den „Hexenkessel Peking“ bereits besetzt hatten. Den deutschen Marineinfanteristen blieb nur das „Säubern“ von Stadt und Umland von Partisanen übrig. Dabei, so der Freiburger Historiker Bernd Martin, hätten sie zwei Kriegsverbrechen verübt (Militärgeschichtliche Mitteilungen, 2-2010). Bei einer Massenhinrichtung erschossen sie 76 chinesische Plünderer, und bei einer Strafexpedition gegen die Stadt Lianxiang wurden etwa 1.000 Boxer und unbeteiligte Zivilisten „wahllos massakriert“. Im Gegensatz zu vielen jungen Kollegen will Martin darin aber nicht den Auftakt zum 1941 eröffneten „Vernichtungskrieg“ gegen die Sowjetunion sehen. Denn anders als in Rußland habe es in China keine „grundlegenden Befehle“ gegeben. Es handle sich eher um „situativ bestimmte Massaker“. www.mgfa.de

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