© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Umwelt
Vorbild Türkei
Volker Kempf

Das betäubungslose Schächten ist in der Türkei seit diesem Monat verboten. Das Präsidium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) habe hierzu mitgeteilt, daß es „aus religiöser Sicht keine Bedenken gegen die Anerkennung der Tiere als Opfergabe habe, die aufgrund der Vermeidung von Qualen für das Tier, vor der Schlachtung durch Elektroschock betäubt werden“, meldete die türkische Zeitung Hürriyet. Die Niederlande hatten Mitte des Jahres ein Verbot erlassen. Schon länger existieren Verbote für betäubungsloses Schächten in Liechtenstein, der Schweiz und Schweden. In Deutschland gab es 2007 eine Bundesratsinitiative von Hessen und Schleswig-Holstein, um unnötige, bewußt zugefügte Leiden beim religiösen Schlachten von Tieren zu unterbinden – doch geschehen ist seither kaum etwas. Das Thema schwelt in Bundestag und -rat vor sich hin. Damit ist in Deutschland durch den Ausnahmeparagraphen 4a des Tierschutzgesetzes für vorgeblich religiöse Motive betäubungsloses Schächten weiterhin erlaubt. Dabei hatte schon 2001 eine Spiegel-Umfrage ergeben, daß 79 Prozent der Deutschen für ein Verbot ohne Ausnahmeregelung sind.

Wie kann es sein, daß ein islamisches Land bei Fragen des Schächtens einen konsequenteren Tierschutz durchsetzt als ein mehr oder weniger „christlich“ geprägtes? Es liegt wohl an der von Henryk M. Broder immer wieder beklagten Politik des „Appeasements“, also an der Lust am Einknicken. Der Verein „Arbeitskreis humaner Tierschutz“ wertet die Stagnation in Fragen des betäubungslosen Schächtens dann auch als ein Zugeständnis an den „Götzen Political Correctness“. Zwar wurden von Politikern nach außen immer wieder große Versprechungen gemacht, aber gehandelt wird insgesamt so, als drohe eine „heilige Kuh“ geschlachtet zu werden. Dieses Zögern erweist sich dem Tierschutz als Staatsziel (Artikel 20a Grundgesetz) nicht würdig. Das Versagen der politischen Klasse hat viele Facetten.

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