© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Janusköpfiger Lobbyismus
Christian Dorn

Während die Landesparlamente Brandenburgs, Berlins und Bayerns bereits die Einführung eines Lobbyistenregisters diskutieren, ist ein solches für den Bundestag noch Zukunftsmusik. Schließlich ist dieser „eine Riesenveranstaltung, jeder will da einen Hausausweis haben“, sagt der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU). Ändern soll sich dieser Zustand durch die „Marktordnung für Lobbyisten“. So lautet der Titel der von der IG-Metall-nahen Otto-Brenner-Stiftung herausgegebenen Studie, die vergangene Woche in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz vorgestellt wurde. Ziel der Initiatoren ist es, sämtliche Lobbyisten zu registrieren. Allein in Berlin sollen dreitausend Vertreter von Industrie und Verbänden unterwegs sein.

Moderiert wurde die Präsentation der Studie ausgerechnet von Thomas Leif, dem Gründer der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche. Hatte dieser doch erst im Sommer wegen unlauteren Finanzgebarens zurücktreten müssen und damit unfreiwillig einen Blick darauf gelenkt, wie schnell die Beurteilung eines Sachverhalts von seiner Begrifflichkeit abhängen mag, schließlich ist die „Seilschaft“ nur die Kehrseite des positiv konnotierten „Netzwerks“.

Doch wie ist diese Janusköpfigkeit des Lobbyismus zu vermitteln? Für den saturierten Merkel-Vertrauten Peter Altmaier ist dieser „genauso wichtig wie Journalismus“. Für Andreas Krautscheid vom Bundesverband deutscher Banken, ehemals Minister in NRW, wird der Zugang der Wirtschaft zur Politik „generell überschätzt“. Deshalb sei ihm lediglich „wichtig, daß mir ein Politiker ernsthaft zuhört – wie er entscheidet, ist dann seine Sache.“ Bei Wolfgang Niedermark, Leiter des Berliner BASF-Büros, ist Lobbyismus nichts anderes als „politische Kommunikation“. Auf Leifs Einwurf, Niedermark werde nächstes Jahr Präsident des Berliner Lobby-Verbandes „Collegium“ sein, winkte dieser gelassen ab: „Jeder kann uns von der Straße her durch die dicke Glasscheibe sehen – das ist keine Geheimniskrämerei“ – in der Tat, gibt doch bis heute hierzulande eine ideologische Architektur den Ton an, der zufolge die Transparenz der Fassade zugleich Ausdruck ihres demokratischen Charakters sei.

Daß dieser nicht unbedingt bei den selbsternannten Aufklärern sei, betonte Niedermark: „Was läuft an Förderungen auf NGO-Seite?“ Sind dies nicht eher die Goliaths? In diese Richtung ging auch Krautscheids Kritik, der auf die dubiose Praktik Googles verwies, das massiv NGO-Gründungen in Deutschland betrieben oder unterstützt habe. Auch verwies er auf den Grünen Sven Gigold, „Patenonkel von attac“, der im EU-Parlament für die eigene Lobby „finanzwatch.org“ geworben habe. Den entscheidenden Einfluß, so Leo Gräf von der RWE AG, hätten indes die neuen Medien, diese entschieden in erster Linie über politische Mehrheiten. Wenn die Marktordnung für Lobbyisten käme, dann müsse die auch für NGOs gelten. Denn Kritik an sogenanntem Lobbyismus werde ja nur dann formuliert, wenn es den eigenen Interessen widerspricht.

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