© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Haltungsnote
Gräfin Courage
Christian Schwiesselmann

Von Prügelprinzen bis hin zu blaublütigen Plagiatoren – im Boulevardjournalismus gelten vor allem mit Blick auf die Skandalfrequenz scheinbar immer noch die Standesprivilegien alter Häuser und bewappter Geschlechter.

Kürzlich erwischte es die Gattin des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping, Kristina Gräfin Pilati von Thassul zu Daxberg. Die Regionalausgabe Frankfurt der Bild-Zeitung titelte: „Pöbel-Skandal um Gräfin Pilati“. Die karrierebewußte Juristin, deren Adelsprädikat allerdings aus einer ihrer früheren Ehen stammt, soll sich am Frankfurter Flughafen in eine Zollkontrolle eingemischt haben. Als Zollbeamte einen Chinesen stoppten, der offenbar PC-Teile einschmuggeln wollte, rastete die Fachanwältin für Familienrecht regelrecht aus. Laut Augenzeugen schrie sie die Beamten entrüstet an: „Sie kontrollieren den Mann doch nur, weil er Chinese ist.“

Die Einwände der Beamten, daß sie die Sache nichts angehe, ließ die resolute 63jährige nicht weichen: „Mich geht das sehr wohl etwas an. Ich bin Anwältin, ich darf das! Außerdem kenne ich den Flughafenchef. Den rufe ich jetzt an und beschwere mich über Sie“, drohte die gut vernetzte Gräfin, die unter anderem 2005 die Initiative „Frauen hinter Merkel“ lostrat.

Die Zöllner blieben indessen gelassen, verlangten die Personalien der Juristin und verwiesen sie wegen „Störung von Amtshandlungen“ der Kontrollstelle. „Mein Mann ist Rudolf Scharping, der hört am Telefon mit“, insistierte Pilati peinlich weiter. Erst der Schutzdienst des Flughafens brachte die Gräfin zur Räson. Nach ihrem Eindruck hätten die Zöllner nichts bei dem jungen Mann gefunden, rechtfertigte Pilati ihren „Ausraster“ gegenüber Bild. Sie habe lediglich auf einen Freund gewartet, der aus Peking kam. Dieser Akt der „Zivilcourage“ ging nach hinten los.

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