© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Grüße aus Rom
Einsam im Vatikan
Paola Bernardi

Die Washington Post, die New York Daily News oder die Chicagoer SunTimes vermelden: Der Papst sei amtsmüde und wolle vorzeitig zurücktreten.

Verwundert hört man die Nachricht und denkt zugleich an den Film von Nanni Moretti „Habemus Papam“, der jetzt international angelaufen ist. Oder es kommt einem Celestino V. aus dem Mittelalter in den Sinn, der laut Dante der Mann der großen Verweigerung war. Hier, in Rom, ist Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen jedoch präsenter denn je. Am 8. Dezember, dem Fest der unbefleckten Empfängnis Mariens, sahen die Römer ihren Pontifex durch die elegante Via Condotti zur Piazza di Spagna fahren, wo er den weißen Blütenkranz aus Rosen zu der Marienstatuette brachte und um den Segen für die Stadt bat.

Am 16. Dezember erlebten die Gläubigen den Heiligen Vater bei der Aufstellung der 30 Meter hohen Tanne auf dem Petersplatz, die erstmals aus der Ukraine kam und unter der nun die Krippe steht.Am 4. Adventssonntag, am frühen Morgen, besuchte Benedikt XVI. das berüchtigte römische Gefängnis Rebbibia am Stadtrand von Rom. Er stellte sich den Fragen der Insassen. In der Heiligen Nacht zelebriert der Pontifex die Mitternachtsmesse im Petersdom, die dann in alle Welt übertragen wird. Ein riesiges Programm für einen 84jährigen Priester.

Und im kommenden Jahr, noch vor Ostern, wird Papst Benedikt nach Kuba und Mexiko reisen. Es wird sein erster Besuch in einem spanischsprachigen Land Lateinamerikas sein.

Die Programme stehen, der Papst scheint allgegenwärtig, doch die Gerüchte wabern weiter. Sie werden angeheizt durch italienische Vatikanisten, die schreiben, daß der Papst immer stärker isoliert und abgeschottet sei. Der Vatikan sei wie der Kreml. Auch habe Benedikt XVI. offensichtlich Schwierigkeiten, den komplexen Apparat der katholischen Kirche richtig zu führen und zu verwalten. Was nicht überraschend sein sollte angesichts der Tatsache, daß Joseph Ratzinger immer ein raffinierter Theologe der Studien und Doktrinen gewesen ist. Er war stets ein Dogmatiker und kein Diplomat. Mögen auch immer wieder Spekulationen im Umlauf sein – der Vatikan schweigt wie ein Grab. Durch die dicken Mauern dringt nichts. Wer spät abends im Apostolischen Palast, hoch oben rechts über den Kolonnaden, noch ein Licht brennen sieht, weiß, hier arbeitet der Papst, ein einsamer Mensch und Gelehrter.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen