© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Ein teurer Spaß für grüne Millionäre
Antriebstechnik: Die einseitige Konzentration auf Elektroautos ist nicht nur für Opel brandgefährlich
Christian Bartsch / Jörg Fischer

Nein, es gebe keinen Verkaufsstopp für den Opel Ampera, er werde wie geplant am 14. Januar beim „Händler-Event“ präsentiert, beteuert die Opel-Presseabteilung kurz vor Weihnachten. Hundert Exemplare der Kompaktlimousine stünden schon bei den Händlern. Nur die für das erste Quartal 2012 geplante Auslieferung an die Endkunden könne sich verzögern.

Der Grund sind Brände beim technisch identischen Chevrolet Volt der Konzernmutter General Motors (GM), die nach Sicherheitstests der US-Verkehrsbehörde NHTSA aufgetreten sind (JF 51/11). Die Brandgefahr beschränkt sich nicht auf den Volt, jedes andere Auto mit Lithium-Ionen-Akkumulator (JF 19/09) kann in ähnliche Probleme geraten. Aber vor allem Reichweite, Gewicht und Preis sprechen gegen das E-Auto.

Der Ampera bietet die Platzverhältnisse eines Opel Astra – er wiegt aber statt 1,4 über 1,7 Tonnen, also mehr als eine Mercedes E-Klasse. Aber der „Stromer“ kostet mit fast 43.000 Euro genausoviel. Ein sparsamer Astra ist schon für unter 20.000 Euro zu bekommen. Und da der Li-Akku schon nach spätestens 80 Kilometern leer ist (im Winter die Hälfte), besitzen Ampera und Volt zusätzliche Benzinmotoren. Damit werden die Batterien unterwegs bei Erschöpfung aufgeladen – und das Gewicht erhöht.

Die Ingenieurleistung, die in Hybrid­autos wie den Lexus-Modellen und den reinen Elektroautos wie dem Mitsubishi MiEV oder dem Nissan Leaf steckt, ist beeindruckend. Und um das Jahr 1900 war es sogar offen, ob sich der E-Antrieb oder der Verbrennungsmotor durchsetzen würde. Das Elektromobil verlor – aber es verschwand nicht. Unzählige Gabelstapler, Elektrokarren auf Bahnhöfen und in der Industrie, Wagen auf Flughäfen oder Kleintransporter der Kommunen zeigen, wo der E-Antrieb Chancen hat. Jüngstes Beispiel ist ein E-Transporter von VW für die Postverteilung, der sich auch für andere Aufgaben eignet. Noch bis in die sechziger Jahre benutzte die Post E-Fahrzeuge, die sich durch die rasselnden Ketten zum Antrieb der Hinterräder bemerkbar machten.

Aber Elektroantrieb für Familienautos? Allein die Hürden der Stromversorgung sprechen gegen die von Angela Merkel propagierte Millionenzahl von E-Autos. Auch Überlegungen, die Akkus als Massenspeicher für den unsteten Wind- und Sonnenstrom zu nutzen, sind grüne Blütenträume. Die von Toyota vorgestellten Einfamilienhäuser mit Solaranlage auf dem Dach und integrierter Akkuladestation (Smart Homes) sind nicht für den Massenmarkt konzipiert.

Spätestens dann, wenn die finanzkrisengeschüttelten Regierungen die Fördergelder für die E-Mobilität streichen müssen, kommt die betriebswirtschaftliche Stunde der Wahrheit. Die diesbezüglichen Milliardeninvestitionen von GM (plus die beachtliche Staatshilfe) fehlen zudem bei der Entwicklung von Verbrennungsmotoren – nur hier verdienen die Autohersteller Geld. Opel hat in den ersten drei Quartalen dieses Jahres über 400 Millionen Euro Verlust ausgewiesen. Mit ein paar Tausend Ampera-Verkäufen dürfte sich daran nichts ändern. Weltweit dominieren Diesel und Benziner – und die werden besser, sparsamer und sauberer. Sie stoßen allerdings weiterhin CO2 aus, was Klimaschützern mißfällt (JF 49/11). Doch ein Blick auf den deutschen Strommix zeigt: Weniger als ein Fünftel der Energie stammt aus CO2-freien, erneuerbaren Quellen.

Die Motorenentwicklung verfolgt drei Ziele: Verbrauchs-, Schadstoff- und Gewichtsabsenkung. Gute Ottomotoren erreichen bereits einen Wirkungsgrad von 30 Prozent, Diesel zwischen 45 und über 50. Ab 2014 müssen neue Motoren die Schadstoffgrenzwerte Euro 6 einhalten. Dennoch werden sie sparsamer als die heutigen sein. Dazu tragen in Deutschland leistungsfähige Zulieferer wie Bosch, Continental, Emitec, Delphi, Mahle, Pierburg oder Schaeffler erheblich bei. Sie betreiben mit hohem Aufwand Forschung und Entwicklung.

Eine Einsparmethode ist das Downsizing, also der Ersatz größerer Motoren durch kleinere. So kann heute ein Vierzylinder mit zwei Liter Hubraum einen Sechszylinder mit drei Liter Hubraum bei gleicher Leistung, aber geringerem Verbrauch und geringerem Gewicht ersetzen. Begann die Zylinderabschaltung bei Motoren mit sechs oder acht Zylindern ein, so entwickelte VW auch für den 1,4-Liter-Ottomotor mit vier Zylindern eine Abschaltung bei niedrigem Leistungsbedarf von zwei Zylindern. Das ist weltweit der erste kleine Motor mit dieser Lösung. Die Einsparung an Benzin dürfte im Kurzstreckenverkehr bei einem Liter auf 100 km liegen. Parallel dazu entwickelt VW die beiden Diesel mit 1,6 und 2,0 Liter weiter und erzielt gegenüber den heutigen Motoren Verbrauchseinsparungen von 25 Prozent.

BMW hat den Zweiliter-Vierzylinder so aufgerüstet, daß er mühelos den Dreiliter-Reihensechszylinder ersetzen kann. Bei Mercedes sind es besonders die Vierzylinder-Diesel, die künftig noch sparsamer werden und anstelle der Sechszylinder angeboten werden. Und das Opel-Werbebudget wäre besser beim Insignia als beim Ampera aufgehoben: Der neue Zweiliter-Diesel mit doppelter Aufladung für die Mittelklasse-Baureihe leistet 195 PS und bietet ein Drehmoment von 400 Newtonmeter. Die vom kleineren Turbo gelieferte Ladeluft wird in einem wasserdurchströmten Kühler gekühlt, der direkt am Motor angebracht wurde. Jeder Zylinder ist mit einem Druckfühler ausgestattet, um die Verbrennung einander anzugleichen. Das hat runderen Lauf bei niedriger Drehzahl und geringeren Verbrauch mit weniger Schadstoffen zur Folge.

Der Karosseriebau trägt ebenfalls sein Scherflein zur Einsparung bei. Die geräumige Mercedes B-Klasse mit einem Luftwiderstandsbeiwert (cw) von nur noch 0,26 setzt Maßstäbe bei der Aerodynamik. Der eher enge Hybrid Toyota Prius ist mit 0,25 nur minimal besser. Aluminium, Magnesium und Kunststoffe mit und ohne Faserverstärkung wirken der sicherheitsbedingten Pkw-Gewichtszunahme entgegen. Neue Getriebe mit Handschaltung und Getriebeautomaten mit einer steigenden Zahl von Gangstufen dienen ebenfalls der Kraftstoffeinsparung. Das aus dem Rennsport adaptierte Doppelkupplungsgetriebe, eine Automatik ohne verbrauchserhöhenden Drehmomentwandler (von VW als DSG erstmals 2003 vorgestellt), setzt seinen Siegeszug bei Ford und Mercedes fort.

Nach vorsichtigen Schätzungen können die derzeitigen Autos in überschaubarer Zeit um etwa 30 Prozent sparsamer werden. Den Ingenieuren werden zudem weitere Techniken einfallen, den Verbrauch zu drücken. Politische Bocksprünge dagegen, wie ein staatlich subventionierter „Leitmarkt für Elektromobilität“, führen in teure Sackgassen. Besonders dann, wenn die Politik unfähig ist, auf den Rat von Fachleuten zu hören.

 

Rohstoffengpaß bei Elektroautos

Darüber, wann der „Peak Oil“ (JF 22/10) erreicht ist und wie lange die Erdölvorräte noch reichen, streiten sich die Experten seit Jahren. Dagegen zeichnen sich schon jetzt Engpässe bei den Rohstoffen für E-Mobile ab. Kupfer läßt sich teilweise durch Aluminium ersetzen. Neue Lithium-Lagerstätten stehen vor der Erschließung. Knapp und teuer werden hingegen einige Spezialmetalle aus der Gruppe der „Seltenen Erden“ (JF 39/11). Laut einer Studie von Daimler und dem Öko-Institut Freiburg verknappt sich beispielsweise Dysprosium (Dy). Es wird nicht nur in den Magneten für Windkraftanlagen verwendet, sondern auch in Elektromotoren. Läge man den von McKinsey prognostizierten Elektroauto-Absatz zugrunde, steige die „globale Nachfrage für Dysprosium bis 2030 um bis zu 482 Prozent“, warnte Studienautor Matthias Buchert in der Wirtschaftswoche. Der Dy-Preis sei bereits von 300.000 Dollar auf zwei Millionen Dollar pro Tonne gestiegen. Daß weltweit neue Förderstätten für „Seltene Erden“ untersucht werden, helfe dabei wenig. Die Minen enthielten vor allem andere seltene Metalle, erläuterte Buchert.

Foto: Elektroauto Opel Ampera: Mit sparsamen Dieselmotoren könnte die deutsche GM-Tochter selbst VW Paroli bieten

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