© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Zum Jahreswechsel
Verhalten hoffnungsvoll
Herbert Ammon

Mit Prognosen soll man vorsichtig sein. Dennoch möchte der Kolumnist – nach Merkels düsteren Worten fürs kommende Jahr – verhaltener Hoffnung auf 2012 Ausdruck geben. Die Vorfreude gilt weniger der Vorstellung, daß Merkels Bundespräsident samt jugendlicher Gattin (Tattoo am Oberarm) ungeachtet vielfältiger Unterstützung seitens des Islamrats, der SPD und der Grünen aus dem Amtssitz eskortiert werden könnte. Kaum vorstellbar, überhaupt: ein Bundespräsident, der nach eigenem Bekenntnis „nicht immer gradlinig“ handelte, dafür politisch stets korrekt, ist für die politische Klasse unersetzlich. Wen außer Kabarettisten kümmert da ein Kredit vom Geschäftsfreund fürs verklinkerte Eigenheim, wen die Urlaube im sonnigen Süden, wen die Sonderkonditionen bei der Landesbank?

Realen Grund zur Vorfreude bietet der von Hubert Aiwanger und Hans-Olaf Henkel angekündigte Antritt der Freien Wähler auf Bundesebene. Vieles spricht dafür, daß der bürgerlichen Anti-Partei bei der Bundestagswahl 2013 der Sprung in den Bundestag glücken könnte. Dafür spricht erstens die Aufregung bei der CSU, die Aiwanger in Bayern vom hohen Roß herunterholte, zweitens die Attacke der Bild-Zeitung gegen Henkel, dessen Kompetenz in Wirtschafts- und Wissenschaftsfragen außer Frage steht, drittens der Umstand, daß die FDP dabei ist, sich als bürgerlich-liberale Mehrheitsbeschafferin abzuschaffen. Henkel hat völlig recht, wenn er in den Nichtwählern „ein Riesenpotential“ erkennt. Es sind all jene, denen das politische Spektakel – mit Claudia Roth als Klassenpetze und Lafontaine als liebestrunkenem Helden des Proletariats – auf die Nerven geht.

Die Selbsteinstufung des Niederbayern Aiwanger als Liberalkonservativer ist so glaubwürdig wie der Liberalismus des Hanseaten Henkel. Mit guten Argumenten verleihen sie der im Volk vorherrschenden Ablehnung dekretierter Alternativlosigkeit sowie der „Richtlinien“-Arroganz Brüsseler Kommissare Ausdruck. Populismus? Nonsens! Es geht um Subsidiarität, Föderalismus, Demokratie. Selbst wenn Henkel mit dem „Nordo“ an Frankreich und EU-Realität vorbeizielt – eine Debatte über politische Vernunft in Europa käme endlich in Gang. Der mediale Zirkus um die „Piraten“ wäre beendet. Und: Die Grünen verlören nicht nur konservative Wähler, sondern ihr politisches Deutungsmonopol.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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