© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Die Fürstin darf wieder auf einen Tanz hoffen
Musiktheater: Nach dem Abgang von Peter Konwitschny ist in der Leipziger Oper die Zeit der Schützengräben vorbei
Richard Stoltz

Man hat es kommen sehen. Seitdem Ulf Schirmer im August vorigen Jahres zum Intendanten der Leipziger Oper berufen wurde, stand der „Chefregisseur“ des Hauses, Peter Konwitschny (66), auf heiklem Posten. Jetzt hat er „wegen Krankheit“ den Krempel hingeschmissen und von sich aus zum 1. Januar gekündigt. Und man muß es so sagen: Die Opernfans der Messestadt atmen auf.

Konwitschny ist bekannt geworden als „Kultregisseur“, der das im Sprechtheater bei uns übliche sogenannte Regietheater mit Konsquenz und Ingrimm auch auf die Musikbühnen auszudehnen strebte. Da sich die Musik von Meisterwerken aber  – im Gegensatz zur Sprache von Shakespeare- oder Schiller-Stücken – den Komponisten nicht einfach im Mund umdrehen läßt, mußte sich „Konwi“ damit begnügen, Bühnenbilder und Szenen-Arrangements umzudrehen. Die „Csárdásfürstin“ von Kálmán etwa spielte bei Konwitschny, statt im Ballsaal, im Schützengraben, Janáčeks „Totenhaus“, statt unter Häftlingen in Sibirien, in einem Luxusappartement New Yorker Mafiabosse. Doch diese Masche ist nun offenbar ausgereizt.

Zwar überschlugen sich die Kritiker vor Begeisterung, der Mann wurde berühmt, das sachverständige Publikum jedoch machte sich immer rarer, es fühlt sich durch die „Mätzchen“ heute nur noch belästigt und vom Eigentlichen, nämlich der Musik, abgelenkt. „Allzu viele Hexen verderben den Brei“, urteilte einer nach Besichtigung einer von Konwi verantworteten „Macbeth“-Inszenierung.

Leipzigs Intendant Schirmer ist ein brillanter, in vielen (klassischen wie modernen) Sätteln bewährter Dirigent und Musikenthusiast. Er liebt seine Opern und möchte, daß auch das Publikum sie liebt. Natürlich ist er viel zu höflich und zu kollegial gesinnt, um seinem „Chefregisseur“ auch nur im mindesten in die Parade zu fahren. Doch es ist auch gar nicht nötig. Alle spüren: Die Zeit der Schützengräben im modernen Musikleben ist vorbei. Ob man je wieder so tanzen wird wie die Csárdásfürstin, weiß niemand, aber man wird wieder tanzen, statt zu schießen.

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