© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

„Ich mäßiger Musikant“
Kultivierter Herrscher: Friedrich der Große war ein leidenschaftlicher Komponist und Flötenspieler
Markus Brandstetter

Es ist eines der bekanntesten Gemälde des deutschen Realismus, und es hat das Bild einer Epoche geprägt wie kein anderes. Die Rede ist von Adolph Menzels „Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“ (1850/52). Das eineinhalb mal zwei Meter große Gemälde, das heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt, zeigt den Preußenkönig beim Flötespielen. Links sieht man die beiden Schwestern des Königs, im Vordergrund den dicken Grafen Gotter mit der altmodischen Perücke, dahinter den Naturwissenschaftler Maupertius (der gelangweilt in die Luft blickt) und den Kapellmeister Carl Heinrich Graun (1704–1759), der freundlich zuschaut.

Rechts ist das Ensemble der Musiker versammelt, Friedrich hatte einige der besten aus ganz Europa an seinen Hof geholt. Da haben wir am Cembalo Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788), den besten Komponisten unter den Bach-Söhnen und großen Klaviervirtuosen. Der am rechten Bildrand stehende Geiger ist Franz Benda (1709–1786), erster Violinist der Hofkapelle, einer der besten deutschen Geiger seiner Zeit. Ganz rechts an die Wand gelehnt erkennt man Johann Joachim Quantz (1697–1773), Cammercompositeur und Musiklehrer des Königs, der berühmteste Flötist des Jahrhunderts, Verfasser hunderter Werke für die Flöte. Er bekommt im Jahr 2.000 Taler aus der Privatschatulle des Königs, das Zehnfache dessen, was ein normaler Orchestermusiker verdient; selbst Carl Philip Emmanuel Bach erhält nur 300 Taler. Quantz’ Privileg ist es, dem König nach besonders gelungenen Stellen ein „Bravo“ zuzurufen.

In der Mitte des Bildes, in seinem hellsten Bereich, steht der König in Soldatenstiefeln und Offiziersrock. Sein Gesicht wirkt angespannt und konzentriert, und wir wissen auch warum: Friedrich bläst gerade den schwierigsten Teil des Stückes, die virtuose Solokadenz. Während der Kadenz pausiert das restliche Ensemble, nur Carl Philipp Emanuel Bach begleitet den König. Bach kann so etwas im Schlaf, weshalb sein Gesicht eine etwas gelangweilte Teilnahmslosigkeit erkennen läßt.

Aus den Berichten von Zeitgenossen sind wir gut darüber unterrichtet, wie so eine musikalische Soiree in Sanssouci abzulaufen pflegte. So schrieb der englische Komponist und Musikhistoriker Charles Burney über seinen Besuch in Potsdam im Jahr 1772: „Die Musik begann mit einem Flötenconcerte, in welchem der König Solosätze mit großer Präzision vortrug. Sein Ansatz war klar und eben, seine Finger brillant und sein Geschmack rein und ungekünstelt. Kurz, sein Spiel übertraf alles, was ich bisher unter Liebhabern oder selbst unter Flötisten von Profession gehört hatte.“

Aber auch hier war nicht alles Gold, was glänzte. Burney hatte bei allem Lob kritisiert, daß dem König in den langen Solosätzen der Atem ausging, während der Komponist Johann Friedrich Rei-chardt bemerkte, daß es Friedrichs Spiel in Allegro-Sätzen an „Feuer und Kraft“ fehlte und er laut und falsch den Takt mitstampfte. Die beiden Profimusiker hatten natürlich gut reden, war ihnen doch im Leben nie ein Pferd unter dem Hintern weggeschossen worden, hatten sie nach einer verlorenen Schlacht mit 20.000 Toten nie an Selbstmord denken  müssen und sich nie alleine der vereinten Armeen von Rußland, Österreich und Frankreich zu erwehren gehabt.

Friedrich war mit der Musik seit Kindertagen vertraut, obwohl sein Vater, der rauhe Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), Musik für einen nutzlosen Zeitvertreib hielt. Bereits als Siebenjähriger hatte Friedrich Cembalo- und Generalbaßunterricht durch den Berliner Domorganisten Gottlieb Hayne erhalten. Der Flöte scheint er sich selbst zugewandt zu haben, machte rasch Fortschritte und perfektionierte sich dann durch den Unterricht bei Quantz.

Als Friedrich im Januar 1728 mit seinem Vater den sächsischen Hof besuchte, berichtete er stolz seiner Schwester Wilhelmine von einem Konzert mit der sächsischen Hofkapelle: „Ich habe mich als Musiker hören lassen. Richter, Buffardin, Quantz, Pisendel und Weiß haben mitgespielt.“ Fünf Jahre später schrieb er an sie: „Ich mäßiger Musikant habe mich ans Komponieren von Solos gemacht, und ich werde mich sogar erkühnen, sie Dir zu schicken.“

Bei den Solos ist es nicht geblieben. Insgesamt hat Friedrich 121 Sonaten für Flöte und Basso Continuo (Cembalo) komponiert, vier Konzerte für Flöte und Orchester, vier Sinfonien, einige Arien, Kantaten und Armeemärsche. Formal folgen die hochvirtuosen Flötenwerke den Vorbildern von Quantz, aber die melodische Erfindung ist erkennbar eigenständig. Der König besaß ein Talent für kantable Melodien.

Neben der Instrumentalmusik war Friedrichs zweite große Passion die neapolitanische Opera Seria, also die große, repräsentative Oper in fünf Akten mit ihren antiken Götter- und Heldenstoffen. Dafür ließ der König gleich nach der Thronbesteigung das Opernhaus Unter den Linden erbauen. Der Einfluß des Königs auf sein Opernhaus war allumfassend: Nicht nur behielt er sich in allen finanziellen, personellen und künstlerischen Belangen das letzte Wort vor, er verfaßte für einige seiner Lieblingsopern sogar eigene (französische) Libretti. Friedrich hielt sein Leben lang an dieser von seinen Zeitgenossen zunehmend als leblos und starr empfundenen Form der Oper fest. Die Opernreform Glucks ist ihm immer fremd geblieben.

Die populärste Komposition Friedrichs des Großen ist ein sechzehntaktiger Marsch, den Friedrich einem spanischen Obersten schenkte, der sich zur Ausbildung am preußischen Hof aufhielt. Wieder zu Hause, machte der spanische Offizier diese Komposition zum offiziellen Marsch seines Grenadierregimentes. 1770 erklärte der spanische König Karl III. diese „Marcha Granadera“ zum Ehrenmarsch der spanischen Krone, seitdem wird das Stück Friedrichs „Marcha Real“ (Königsmarsch) genannt. Bis heute ist dies die spanische Nationalhymne.

Foto: Adolph von Menzel, Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci (Öl auf Leinwand, 1850/52): „Rein und ungekünstelt“

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