© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Zwischen Wolga und Wehler
Ausstellung: Bilder von Robert Sterl in der Städtischen Galerie Dresden
Sebastian Hennig

Das Werk des Robert Sterl verzweigt sich in drei große Themenkomplexe: die Sphäre des Musizierens, die Arbeitswelt und das Leben im Osten. Daneben und darüber hinaus hat er sich seinerzeit als Porträtist der lokalen Zelebritäten einen Namen gemacht. In der Ausstellung der Städtischen Galerie Dresden ist dieser Teil seines Werkes mit dem „Bildnis der Königinwitwe Carola“ (1905), „Bildnis des Generalintendanten Nikolaus Graf Seebach“ (1919) und dem überaus lebendigen „Bildnis Dr. Otto Posse“ (1917) vertreten. Das Albertinum bewahrt zudem das lebensgroße „Bildnis König Albert von Sachsen“ (1905). Der sächsische Soldatenkönig präsentiert sich im Uniformrock, die Linke auf den Säbel gestützt.

Ein konventionelles, aber sehr solides Herrscherbildnis aus einer Zeit, in der Sterl beginnt, mit seinen Darstellungen der „Elbebaggerer“ (1905) und bald darauf der Steinbrucharbeiter seine lichtdurchströmten Hauptwerke zu schaffen. 1908 entsteht noch ein Bildnis des hochgeschlossenen und mehrdeutig lächelnden Friedrich August III. von Sachsen. Zuletzt wird der Maler den leutseligen „Keenich“ 1918 noch einmal porträtieren, bevor der seine feige Entourage im Dreck stecken läßt um sich als Privatier auf Schloß Sibyllenort bei Breslau zu verfügen.

Das zur Ausstellung im Sandstein-Verlag erschienene Werkverzeichnis, in dem alle 1.160 Ölgemälde wiedergegeben sind, eröffnet neue Einblicke in die heterogene Entfaltung dieses vielschichtigen Werkes. Sterls Lebenszeit von 1867 bis 1932 umfaßt das ganze zweite Kaiserreich und die Zwischenkriegszeit. Aus der Studienzeit stammen die lebensgroße Darstellung eines Afrikaners „Akademiemodell“ (1886/87) und „An der alten Kreuzkirche“ (1887). Jenes eine subtile Abwandlung der dunklen Hautfarbe des Modells vor monochromem Hintergrund und dieses eine Malerei ganz aus farbig modifiziertem Schwarz, Weiß und Braun. Vor der gewaltigen Säulengliederung des Kirchenportals steht eine Taufgesellschaft: Die Damen bodenlang, die Herren mit Zylinder, und der Täufling wird im weißen Steckkissen gehalten.

Wie auch Lovis Corinth sicherte Robert Sterl nach dem Studium sein Einkommen durch eine Malschule für Damen, welche damals noch nicht an der Akademie studieren durften. Eine einträgliche Beschäftigung, da die Schülerinnen überwiegend aus begüterten Familien stammten. 1904 wird er dann Akademielehrer, später Professor und prägt bis 1930 den Lehrbetrieb an der Brühlschen Terrasse und als Mitglied des Galeriebeirates und der Jury der Künstlervereinigung das Kunstleben der Landeshauptstadt.

Die Umbrüche der Zeit spiegeln sich wider im verschlungenen Weg, den einige seiner besten Bilder genommen haben. „Elbebaggerer“ beispielsweise wurde der Gemäldegalerie von der Kommunalen Wohnungsverwaltung eingeliefert aus dem Gebäude Bautzner Landstraße 44 und stammt aus dem Besitz des Bautzner Unternehmers Weigang. Ein anderes Gemälde des gleichen Sujets kam aus dem Besitz der k. u. k. Österreichischen Staatsgalerie Wien 1918 in den Kunsthandel, wo es der Maler über die Dresdner Galerie Arnold zurückkaufte.

1909 reist er auf Einladung einer einstigen Schülerin das erste Mal nach Rußland. 1910, 1911 und 1914 begleitet er die Konzerttournee des russischen Dirigenten Sergej Kussewitzky entlang der Wolga. Aus den schnappschußartigen Farbskizzen werden später ausgearbeitete Gemälde, deren melodramatische Getragenheit durchaus mit Slevogts Nordafrikabildern mithalten kann. Der Krieg wirft ihn 1915 vom Osten in den Westen, wo er an der Front als Kriegsmaler tätig wird. Die Skizze „Kanonenfeuer“ zeigt die Frontschweine des Grabenkampfes. Lehmverschmierte Uniformen heben sich kaum von der bergenden Lehne des Erdreiches ab. Der kleine Streifen Himmel ist von Detonationen erschüttert. Nicht anders als auf den Steinbruchbildern steht auch hier die dynamische Selbstbehauptung des Individuums gegenüber dem Elementaren im Mittelpunkt der Malerei. Aber keine versöhnende Sonne streicht über Sandstein und nackte Oberkörper. Ein schweres unentrinnbares Verhängnis birgt die trocken und eilig hingestrichene Skizze. Die Dirigenten-Porträts des Ernst Edler von Schuch und die Bühnenszenerien der Semperoper zeigen die große Epoche der Dresdner Theater zur Zeit der zahlreichen Uraufführungen von Werken Richard Strauss’.

Ein zweiter Band „Der Maler Robert Sterl – Leben und Werk in Selbstzeugnissen“ erhellt die persönlichen Beziehungen und Arbeitsbedingungen des Künstlers. Sein Atelierhaus in Naundorf bei Stadt Wehlen in der Sächsischen Schweiz beherbergt heute das unlängst rekonstruierte Museum Robert-Sterl-Haus mit der originalen Einrichtung, den Arbeitsgeräten und einer Vielzahl seiner Gemälde und Skizzenbücher. Wechselnde Ausstellungen beleuchten einzelne Epochen und Aspekte des Werkes. Der Besuch des abgelegenen Künstlerdomizils ist zwischen 1. Mai und 31. Oktober möglich.

Die Ausstellung „Der Maler Robert Sterl“ ist bis zum 29. Januar in der Städtischen Galerie Dresden, Wilsdruffer Straße 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen.

Robert Sterl, Werkverzeichnis, Sandstein Dresden 2011, gebunden, 280 Seiten, 898 Abbildungen, 24,95 Euro

Der Maler Robert Sterl – Leben und Werk in Selbstzeugnissen, Sandstein Dresden 2011, 280 Seiten, 161 Abbildungen, 24,95 Euro

 www.galerie-dresden.de

Foto: Robert Sterl, Prozession bei Simbirsk (1920) und Selbstbildnis (um 1917): Lichtdurchströmt

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