© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Haltungsnote
„Ich liebe einen Muslim“
Christian Schwiesselmann

Doctrina multiplex – veritas una. Es gibt viele Lehren, aber nur eine Wahrheit. Was über dem Portal des Hauptgebäudes der Universität Rostock steht, gilt für das Wahrheitsmonopol aller Religionen, die sich selbst ernstnehmen. Die Diskussionen um den Fall der württembergischen Vikarin Carmen Häcker wecken Zweifel, ob der Protestantismus in Deutschland noch dazugehört.

Häcker stammt aus einem Pfarrhaus im Stuttgarter Ortsteil Weilimdorf und  hat in Bangladesch den Moslem Monir Khan kennengelernt und  prompt geheiratet. Sehenden Auges nahm die 28jährige Pfarrerstochter den Konflikt mit dem württembergischen Pfarrerdienstrecht in Kauf, das strickt vorschreibt: „Der Ehegatte eines Pfarrers muß der evangelischen Kirche angehören. Es wird von ihm erwartet, daß er den Dienst des Pfarrers bejaht.“ Eine Ausnahmegenehmigung versagte die Landeskirche Württembergs Häcker und beendete das Dienstverhältnis zum Jahresende 2011.

Die angehende Theologin fügte sich nicht gutlutherisch der kirchlichen Obrigkeit, sondern brachte die linksliberale Medienöffentlichkeit gegen ihren ehemaligen Dienstherrn in Stellung: Es sei beschämend zu erklären, warum das Muslimischsein ihres Mannes solche Probleme hervorrufe, jammerte sie im Deutschen Pfarrerblatt. Natürlich öffneten sich alle Gazetten für die Vikarin, die nun in Berlin ihren Vorbereitungsdienst auf das Pfarramt beenden darf – ob der wunderbaren Gelegenheit, mit der Moralkeule auf eine konservative Kirchenbehörde einzuschlagen.

Am Ende fragt man sich, was in Tübingen, wo Häcker studiert hat, über die Exklusivitätsansprüche von Religionen gelehrt wird. Wo diese nur noch „unterschiedliche Perspektiven auf die eine Wahrheit“ (Häcker) darstellen, sind sie nicht mehr alle gleichen Werts, sondern alle gleich nichts mehr wert.

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