© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Der Mob im Netz
Internet: Eine unheilige Allianz aus Kriminellen und politisch Korrekten bekämpft die Meinungsfreiheit
Thorsten Hinz

Ein neues Internetportal namens „Nazi-Leaks“ hat – zusammen mit weiteren Datensätzen – eine Liste von Autoren und Interviewpartnern der JUNGEN FREIHEIT ins Netz gestellt (siehe Seite 7). Sie enthält auch deren Telefonnummern, Wohn- und Internetadressen. Zu den unmittelbaren Folgen gehören wiederholte Anrufe aus einem „Zentralbüro der Antifa“. Es fallen dann Begriffe wie „Nazischwein“, „Schwuler“, „Naziklatschen“, bis hin zur Unterstellung, ein Verhältnis mit Beate Zschäpe, dem überlebenden Mitglied des Zwickauer Terror-Trios, zu unterhalten.

Die Liste war bereits im Sommer vom antifaschistischen Internetportal „Indymedia“ unter dem Titel „Wir kriegen euch alle!“ veröffentlicht worden, das aber selbst im linken Milieu als kaum zitierfähig gilt. „Nazi-Leaks“ hingegen wurde in der Presse ausführlich und zustimmend behandelt. Der Sprecher des Deutschen Journalistenverbands, Hendrik Zörner – früher stellvertretender Regierungssprecher einer rot-grünen Koalition in Hannover – monierte in einer Erklärung lediglich die „mangelnde Sorgfaltspflicht“ bei der Veröffentlichung: Nicht alle Aufgelisteten seien schließlich Rechtsextremisten. Sonst scheint er mit dem Pranger-Verfahren einverstanden zu sein.

Der Berliner Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke – ein Schmalspur-Geist mit Professorentitel, der auf politischen Konjunkturwellen reitet – publizierte eine Kopie der Liste auf seiner Internetseite; nach einer Anzeige entfernte er sie wieder. Mittlerweile haben auch die „Nazi-Leaks“-Aktivisten den Eintrag zur JUNGEN FREIHEIT von der Seite genommen. Aus dem Netz und aus der Welt ist sie damit natürlich nicht.

Vereinzelt gab es auch Kritik, die jedoch selten zum Kern vordrang: Zur Praxis eines stillen Bürgerkriegs, in dem – über die soziale Vernichtung hinaus – die Psyche und der Körper des dissidenten Feindes zum Angriffsziel werden. Die gar nicht klammheimlichen, vielmehr schadenfrohen Befürworter rechtfertigen sich damit, daß der Internet-Pranger auch bei Neonazis beliebt sei. Das mag sein, doch denen ist wenigstens klar, daß sie damit die geballte Gegenwehr von Staat und Gesellschaft auf sich ziehen, während ihre antifaschistischen Pendants wissen, daß ihr Vorgehen zwar nicht für legal, aber für legitim gehalten wird und wegen seines volkspädagogischen Effekts sogar willkommen ist.

Die Aktivisten sind unbekannt, ihre Gruppe nennt sich „Anonymous“. Das Motiv ihres Handelns seien die Morde, die dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) von Zwickau zugeschrieben werden. Über den NSU können auch sie nicht mehr wissen, als die Behörden bekanntgeben und von Journalisten unkritisch unter die Leute gebracht wird. Im Chat mit dem österreichischen Standard ließ sich ein Aktivist so vernehmen: „Die Offenlegung der Strukturen ist unserer Meinung nach ein anonymer Beitrag zu der aktuellen Verfassungsschutzdebatte in Deutschland.“ Hier verbindet sich ein bürokratisch-verquastes Soziologendeutsch mit dem treuherzigen Augenaufschlag zum Inlandsgeheimdienst! Es würde nicht erstaunen, falls sich herausstellte, daß diese Aktivisten in der einen oder anderen Weise staatliche Zuwendungen erhalten.

Ihre Robin-Hood-Attitüde ist ein anmaßendes Schmierentheater. Der Name „Nazi-Leaks“ stellt eine falsche Parallele zu „Wikileaks“ her, dessen Gründer Julian Assange mit seinem Namen für die Veröffentlichungen einsteht und nun bitter dafür büßen muß, daß er die Interessen des amerikanischen Hegemons zu tangieren wagte. „Nazi-Leaks“ und Anonymous aber sind bloß Gegenstücke zu Aktionen wie „Gesicht zeigen“: Ein halluzinierter Mut richtet sich ohne Risiko gegen einen überwiegend halluzinierten Rechtsextremismus und bekundet damit das Einverständnis mit den hegemonialen Machtverhältnissen.

Die allgemeinste Begründung dafür lautet: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Die Angegriffenen verteidigen sich gewöhnlich, daß sie gar keine Faschisten, vielmehr antitotalitäre Demokraten seien. Diese Ahnungslosen appellieren an ein liberales Ideal, das von der Wirklichkeit längst überholt ist. Was wirklich zählt, ist die Definitionshoheit über die politischen Begriffe. „Faschismus“ ist heute ein Kampfbegriff, der je nach Interesse beliebig ausgeweitet und instrumentalisiert werden kann.

Die Durchschlagskraft dieses politisch-ideologischen Dezisionismus kommt aus einer Geschichtsmetaphysik, die wiederum mit internationalen Machtinteressen korreliert. Der (deutsche) „Faschismus“ wird nicht als historisches Phänomen, sondern als ein absolut Böses behandelt. Es geht also nicht um Wahrheit und um Argumente, sondern um die Reinhaltung des Glaubens und um seine Immunisierung gegen die Realitäten.

Denn dieser Glaube, der ein falsches, weil dogmatisches Bewußtsein darstellt, kann sein Gleichgewicht nicht aus sich selbst heraus erneuern, wenn er von neuen Lebenstatsachen – zum Beispiel von Sozial- und Kriminalstatistiken – herausgefordert wird. Daher braucht er die normierte Sprache, die Antidiskriminierungs- und Gesinnungsgesetze, die periodischen antifaschistischen Kampagnen, die Teufelsaustreibungen gleichen.

Womit wir wieder bei den Drohanrufen sind. Der institutionalisierte Antifaschismus trägt die Notwendigkeit zum Verbieten und Heucheln, zum Verdächtigen und Denunzieren, zur Generierung des sadistischen Feiglings in sich selbst. Seine Intentionen und Insinuationen werden von den „Nazi-Leaks“-Betreibern und den Heckenschützen am Telefon mustergültig verkörpert – sie sind die perfekten Staats-Bürger! In Verbindung mit Journalisten wie Zörner und Wissenschaftlern wie Funke sowie staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen bilden sie einen funktionalen politischen Zusammenhang. Von diesem als Feind identifiziert zu werden, muß wahrlich keine Schande sein.