© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

„Das Schlimmste, was mir je passiert ist“
Der Blogger „Fjordman“ war lange der Star der europäischen islamkritischen Szene im Internet. Nach dem Attentat von Oslo galt er vielen als „intellektueller Stichwortgeber“ von Anders Breivik – und sein Leben änderte sich radikal. Nun erscheint sein erstes Buch auf deutsch.
Moritz Schwarz

Herr Jensen, warum haben Sie sich entschlossen, nun erstmals ein Buch auf deutsch zu veröffentlichen?

Jensen: Nun, tatsächlich hat mich der Verlag gefragt, ob ich zustimmen würde, einige meiner Texte auf deutsch zu veröffentlichen. Momentan arbeite ich eigentlich an einem ganz anders gearteten Buch, das im englischen Original den Titel „The Curious Civilization“ – „Die merkwürdige Zivilisation“ – trägt und irgendwann im Laufe dieses Jahres erscheinen wird.

Wie wichtig ist Deutschland für die politische Situation in Europa, so wie Sie sie als Blogger „Fjordman“ analysieren?

Jensen: Deutschland spielt eine sehr wichtige Rolle für die Zukunft ganz Europas, deswegen ist es ungeheuer wichtig, daß meine Texte auch dort veröffentlicht werden. Meiner Ansicht nach ist der vom Verlag Edition Antaios gewählte Titel „Europa verteidigen“ insofern angemessen, als die europäische Zivilisation momentan einen Tiefpunkt ihrer Geschichte erlebt.

Inwiefern?

Jensen: Wenn man heutzutage etwas Positives über das europäische Kulturerbe und die Völker sagt, die es geschaffen haben, wird das beinahe schon als Anzeichen von Extremismus aufgefaßt.

Für die meisten Medien sind Sie wegen solcher Aussagen so etwas wie der Spiritus rector des „Attentäters von Oslo und Utoya“ Anders Behring Breivik.

Jensen: Ich bin Anders Breivik nicht ein einziges Mal in meinem ganzen Leben begegnet und bin – nach einer außerordentlich gründlichen Ermittlung, die man übrigens bestenfalls als „am Rande der Legalität“ bezeichnen kann – durch die Polizei von jedem Verdacht freigesprochen worden.

Angeblich hat Breivik in seinem zeitgleich mit seinem Massenmord im Internet veröffentlichten Manifest „2083 – Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung“ keinen Autor so oft zitiert wie Sie.

Jensen: Selbstverständlich ist mir bewußt, daß ich eine von zahlreichen Personen bin, die in Breiviks sogenanntem Manifest mehrfach zitiert werden. Das gefällt mir absolut nicht, und den meisten vernünftigen Menschen würde es an meiner Stelle ähnlich gehen. Aber da alles, was ich geschrieben habe, im Internet verfügbar ist, gibt es leider wenig, was ich dagegen tun kann.

Der „Spiegel“ nannte Sie Breiviks „intellektuellen Stichwortgeber“.

Jensen: Ich sehe nicht ein, warum andere Menschen für die Handlungen eines Wahnsinnigen verantwortlich gemacht werden sollten, dem sie niemals begeg-net sind.

Sie haben sich öffentlich von Breivik distanziert, haben Ihre Abscheu über die Taten dieses „Monsters“, wie Sie ihn genannt haben, zum Ausdruck gebracht. Wie hat der Fall Breivik Ihre Situation verändert?

Jensen: In der unmittelbaren Folge seiner Terroranschläge habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, das Schreiben aufzugeben. Ich stand damals international unter enormem Druck, und ich habe mich wirklich schrecklich gefühlt, daß solch ein Mann mich zitiert hat. Gegen meinen Willen in den Breivik-Fall hineingezogen zu werden, ist das Schlimmste, was mir je in meinem Leben passiert ist.

Warum haben Sie sich nun dennoch entschieden, wieder zu bloggen?

Jensen: Nachdem ich wieder zur Vernunft gekommen war und meine geistigen Batterien aufgeladen hatte, beschloß ich weiterzumachen – trotz alledem. Und zwar aus einem einfachen, aber zwingenden Grund: Ich fühle mich der Wahrheit verpflichtet. Was vor Breivik wahr war, bleibt auch nach Breivik wahr. Wenn ich jemals das Schreiben aufgebe, will ich das aus eigenem Antrieb tun und nicht von anderen dazu gezwungen werden.

Sie haben nach eigenen Angaben unter anderem in Kairo studiert und später in Hebron, im Westjordanland, gearbeitet. Sie müssen also doch zunächst einen positiven Bezug zur arabischen Welt gehabt haben. Heute gelten Sie dagegen als einer der schärfsten Islam-Kritiker Europas. Warum hat sich das so sehr verändert?

Jensen: Ich habe in der Tat an der amerikanischen Universität in Kairo Arabisch studiert. Zum Zeitpunkt der Terrorangriffe vom 11. September 2001 lebte ich in Ägypten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das als Wendepunkt bezeichnen würde, denn ich hatte schon zuvor eine gewisse Skepsis gegenüber der islamischen Kultur entwickelt. In jedem Fall eskalierte die Lage nach diesem Ereignis.

Nämlich?

Jensen: Was mich am meisten schockierte, war nicht einmal die offensichtliche Freude vieler Araber und Muslime über den Massenmord an Tausenden von unbewaffneten Zivilisten in den USA. Am meisten schockierte mich, daß die westlichen Medien und politischen Eliten die Bevölkerung darüber belogen.

Inwiefern?

Jensen: Der 11. September war meiner Ansicht nach eindeutig eine islamisch-dschihadistische Kriegshandlung gegen die westliche Zivilisation – doch der Westen verschloß sich dieser Realität.

Können Sie das bitte genauer erklären?

Jensen: 2002 und 2003 war ich als Beobachter in Israel und den Palästinensergebieten. Dort sah ich mit eigenen Augen, wie ungemein voreingenommen, anti-israelisch und pro-islamisch unsere Berichterstattung aus dieser Region großenteils ist. 2003 wäre ich selbst um ein Haar Opfer eines Selbstmordattentats geworden, das ein junger Muslim – übrigens mit britischem Paß – am 30. April dieses Jahres in der israelischen Hauptstadt Tel Aviv verübt hatte. Ich hörte buchstäblich die Explosion hinter mir, denn Minuten zuvor war ich selbst noch in der netten Gegend direkt am Strand gewesen, wo er schließlich zuschlug. Schon zuvor, im März 2002, waren zwei meiner Kollegen bei einem dschihadistischen Terrorangriff von denselben Palästinensern ermordet worden, denen wir angeblich helfen sollten. Die meisten israelischen Juden erlebte ich dagegen als freundliche Menschen – vielleicht mit Ausnahme von ein paar besonders militanten Siedlern.

Heute stellen Sie fest, daß sich Europa im „Krieg“ befinde. Wenn das stimmt, warum distanzieren Sie sich dann, wenn jemand wie Breivik jene angreift, die Sie als Feind betrachten? Haben Ihre Kritiker nicht recht, wenn Sie sagen, Sie müßten sich zu seinen Taten bekennen?

Jensen: Nein, ich habe gar nicht viel über „Krieg“ geschrieben, ich weise lediglich darauf hin, daß der Islam Eu-ropa und dem Rest der Menschheit vor 1.400 Jahren den Krieg erklärt hat – und dabei geht es nicht um sogenannte Extremisten: Der Mainstream-Islam ist es, der fordert, daß so lange Dschihad, also „Heiliger Krieg“ geführt wird, bis auch der letzte Winkel unseres Planeten unter islamischer Herrschaft steht! Die Europäer als Aggressoren darzustellen, nachdem sie über tausend Jahre lang ohne jegliche Provokation mit einem Angriffs- und Eroberungsfeldzug überzogen wurden, ist völlig absurd.

Was sollte Europa denn Ihrer Ansicht nach tun?

Jensen: Wissen Sie, trotz alledem bin ich ein vehementer Gegner so mancher politischer Maßnahme, die die westlichen Regierungen und politischen Eliten derzeit in bezug auf den Islam verfolgen. Ich persönlich befürworte eine Strategie, die der amerikanische Publizist Lawrence Auster als „Separationismus“ bezeichnet: Wir sollten eine „körperliche“ Trennung vom Islam und allem Islamischem vollziehen – soweit das in einem Zeitalter der globalen Kommunikation möglich ist – und uns ansonsten primär lediglich auf kurzfristige Interventionen beschränken. Und das auch nur dann, wenn islamische Länder eine unmittelbare militärische Bedrohung für uns darstellen. Und laizistische Herrscher wie etwa Hosni Mubarak in Ägypten zu unterminieren und radikal-islamische Kräfte zu unterstützen, wie die westlichen Führungseliten es in der Folge des sogenannten Arabischen Frühlings, der mehr und mehr nach einem Scharia-Winter aussieht, emsig getan haben, ist dumm und gefährlich – und kann übel nach hinten losgehen.

Folgt man Ihrer Analyse, dann ist es allerdings letztlich nicht der Islam, der Europa bedroht. Vielmehr stellen Sie fest, Europas Problem sei der „Kulturmarxismus“ der seine Gesellschaften erfaßt habe.

Jensen: Muslime und andere Außenseiter unterwandern zwar die westlichen Gesellschaften, indes ist es in der Tat unwahrscheinlich, daß sie dazu imstande wären, könnten sie nicht den inneren Verfall und Niedergang des Westens dafür ausnutzen. Manchmal habe ich die Befürchtung, daß wir in der westlichen Welt in einer Art ideologischem Krieg zwischen westlichen und sagen wir mal „post-westlichen“ Menschen gefangen sind.

Das heißt?

Jensen: Das heißt, zwischen jenen, die noch eine emotionale und praktische Loyalität gegenüber traditionellen europäischen Kulturen und Nationen haben, und jenen, die die europäischen Nationen abwickeln wollen, indem sie offene Grenzen und Masseneinwanderung fordern und fördern. Strenggenommen ist der Islam in der Tat ein zweitrangiger Spieler in diesem Spiel – aber dennoch ein sehr gefährlicher. Die Verfechter des kulturellen Marxismus beziehungsweise des Marxismus in all seinen Formen haben zum Niedergang des Westens beigetragen, daneben sind hier aber auch andere Kräfte am Werk.

Nach dieser Argumentation könnte man aber auch zu dem Schluß kommen, der Islam sei die Lösung: Denn in der islamischen Kultur finden Sie das Phänomen, das Sie als „Kulturmarxismus“ bezeichnen, so gut wie nicht.

Jensen: Moment, man kann sagen, heute ist Europa der kranke Mann der Welt – der Islam ist aber kein Heilmittel gegen diese Krankheit. Denn der Islam löst kein einziges Problem, er verschlimmert lediglich die bestehenden Probleme und schafft neue. Die Araber sind und bleiben sich ihrer Geschichte und ihres Erbes bewußt und zutiefst damit verbunden, das gleiche gilt für die Chinesen und Japaner und viele andere Völker. Die Europäer dagegen müssen das erst wieder lernen.

Auf den der Frage zugrundeliegenden Gedanken sind Sie jetzt allerdings nicht eingegangen.

Jensen: Ich glaube einfach, daß sich die meisten Antworten auf unsere gegenwärtigen Herausforderungen in unserem eigenen, überaus reichen Kulturerbe finden lassen. Wenn wir jedoch schon Anleihen bei anderen Gesellschaften machen müssen, ist es besser, uns erfolgreiche Vorbilder zu suchen – dann aber eher zum Beispiel die ostasiatischen Staaten, nicht etwa gescheiterte muslimische Staaten.

Sie fordern Vitalität – der Islam ist vital.

Jensen: Zu den ganz wenigen Dingen, die wir von den Arabern lernen können, gehört, die Staatsbürgerschaft nicht wie Bonbons an alle auszuteilen, die zufällig unser Staatsgebiet betreten. Ölreiche Golfstaaten wie Katar, Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate etwa verleihen Ausländern nur selten die Staatsbürgerschaft, selbst wenn diese seit vielen Jahren dort leben und arbeiten. Sie zwingen die Einheimischen ganz bestimmt nicht, Einwanderern riesige Summen an Sozialhilfe zu zahlen, damit sie im Zuge von „Familienzusammenführung“ ihre Verwandten aus dem Ausland importieren und ebenfalls zu Staatsbürgern machen können. Gastarbeiter in Dubai arbeiten und gehen anschließend in ihre Heimat zurück – anders als die Türken, die derzeit Ihr Land, Deutschland, kolonisieren. Wenn die Araber die entsprechenden Maßnahmen zur Sicherstellung ihres nationalen Überlebens ergreifen und massenweise illegale Ausländer ausweisen dürfen, ohne als „Rassisten“ gebrandmarkt zu werden – warum sollen die Europäer es nicht genauso halten können?

 

Peder Jensen, „Fjordman“ „Europa verteidigen. Zehn Texte“ (Edition Antaios) heißt sein eben erschienenes erstes Buch auf deutsch. Der norwegische Blogger Fjordman, der ein Foto von sich verweigert, avancierte ab 2005 zum Star der europäischen „Counterjihad“-Szene, wie sich die islamkritische Bewegung im Internet nennt. Als im Juli 2011 der Attentäter von Oslo und Utoya, Anders Breivik, in seinem Manifest vor allem aus den Aufsätzen Fjordmans zitierte, galt dieser rasch als Breiviks Vordenker. Da sogar der Verdacht aufkam, Breivik sei Fjordman, mußte dieser sein Pseudonym lüften: Peder Jensen, Jahrgang 1975, verlor daraufhin seine Arbeit als Behindertenbetreuer. Obwohl er von der Polizei entlastet wurde, gilt er vielen als „geistiger Vater“ Breiviks. Fjordmans Wirkung beruht darauf, daß er es nicht bei der Islamkritik beläßt, sondern diese zu einer fundamentalen Zivilisationskritik ausweitet, die mit „Europa verteidigen“ erstmals nun auch für deutsche Leser als Buch vorliegt.

Foto: Attentat von Oslo: „Unmittelbar nach seinem Terroranschlag habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, das Schreiben aufzugeben ... Aber ich fühle mich der Wahrheit verpflichtet. Was vor Breivik wahr war, bleibt auch nach Breivik wahr ... Der Islam fordert, daß so lange Heiliger Krieg geführt wird, bis auch der letzte Winkel unseres Planeten unter islamischer Herrschaft steht.“

 

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