© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

„Die Lage hat sich grundsätzlich verschlechtert“
Christenverfolgung: Open Doors dokumentiert zunehmende Repressionen
Hans-Jürgen Hofrath

Es sind bedrückende Bilder: In den Ruinen ihrer Kirche sitzen etwa 80 Menschen, den Kopf zum Gebet gesenkt. Mehr als Grundmauern hat der Anschlag der muslimischen Terrorgruppe Boko Haram nicht von dem Gotteshaus in Nigeria übriggelassen. Allein am vergangenen Wochenende starben erneut fast 50 Christen in dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Norden des Landes. Der gerade erschienene Weltverfolgungsindex 2012 des christlichen Hilfswerks Open Doors notiert, obwohl die jüngsten Anschlagsserien nicht mehr berücksichtigt werden konnten, für das afrikanische Land einen starken Anstieg der Christenverfolgung, der lediglich vom Sudan noch übertroffen wurde. Besserung scheint nicht in Sicht. Boko Haram „findet Unterstützung in der Bevölkerung des Nordens, und uns haben Berichte erreicht, daß sich sogar Teile der Armee an den Übergriffen auf die christliche Minderheit im Norden beteiligt haben“, sagt der Open-Doors-Analytiker Daniel Ottenberg der JUNGEN FREIHEIT.

Ziel der Islamisten sei es, „letztlich ganz Nigeria dem Haus des Islam zuzuführen“. Insofern, ist sich Ottenberg sicher, seien weitere Anschläge und Morde zu befürchten. Die dramatische Verschlechterung in Nigeria verdeckt jedoch, daß Christenverfolgung ein weltweites Phänomen ist, das mittlerweile auf fast jedem Kontinent beobachtet werden kann. Mehr als 100 Millionen Christen werden weltweit wegen ihres Glaubens drangsaliert, diskriminiert, benachteiligt oder ermordet. Besonders in mehrheitlich islamischen Ländern ist die Situation schlecht. 38 der 50 im Weltverfolgungsindex aufgelisteten Länder sind muslimisch geprägt. Darunter befinden sich auf Platz sechs auch die Malediven.

Mit der Inselgruppe im Indischen Ozean werden zumeist Luxusurlaube und Hochzeitsreisen verbunden. Was die meisten nicht wissen: Das vermeintliche Urlaubsparadies hat den sunnitischen Islam zur einzig erlaubten Religion erhoben. Christen hat die Zentralregierung kurzerhand die Staatsbürgerschaft entzogen.

Ähnlich schlecht geht es den Gläubigen in Nordkorea. Daran wird auch der Tod des Diktators Kim Jong-il wohl wenig ändern. Das kommunistische Land führt den Verfolgungsindex seit Jahren unangefochten an. Ein Viertel der 200.000 bis 400.000 Christen sind laut Open Doors in Arbeitslagern eingesperrt. Daß sich ihre Situation jetzt verbessert, glaubt Ottenberg jedoch nicht: „Es sieht so aus, als ob die Machtzentren des Landes – Militär, Partei, Familie Kim, unangetastet bleiben und weitermachen wie bisher.“ Ähnlich pessimistisch schätzt er die Entwicklung nach dem „arabischen Frühling“ ein. Zwar würden die Muslimbruderschaft und andere islamistische Gruppen ihre Agenda nicht sofort umsetzen, eine „schleichende Islamisierung“ sei jedoch absehbar. Daß eine streng muslimische Regierung ein Interesse daran hätte, Kirchen vor Übergriffen zu schützen sei „mehr als fraglich“, sagt der Open- Doors-Analytiker.

Wie aufgeheizt die Situation ist, zeigt ein Vorfall im Süden Ägyptens. Hier reichten schon Gerüchte über eine angeblich von einem 17jährigen Kopten ins Internet gestellte Mohammed-Zeichnung für mehrtägige Unruhen. Die von deutschen Politikern regelmäßig geäußerten Forderungen nach Konsequenzen verhallen bis jetzt ungehört. So durfte sich Ägypten auch 2011 auf 95 Millionen Euro direkter Entwicklungshilfe aus Deutschland freuen. Bei all dem Schatten finden sich auf der Karte zum Weltverfolgungsindex zumindest einige Sprenkel Licht. In Bhutan und Sri Lanka etwa hat sich die Situation für Christen leicht entspannt. Generell gilt: „Eine Verbesserung ist überall dort zu erkennen, wo die Regierungen in ernsthafte Gespräche mit der christlichen Minderheit eintreten“, betont Ottenberg.

www.opendoors-de.org