© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Mit dem Hammer philosophieren
Nachruf I: Der deutsche Ökonom Roland Baader warnte frühzeitig vor der großen Finanz- und Moralkrise
Gerd Habermann

Es war die große Ambition meines lieben verstorbenen Freundes, die Freiheitslehre und liberale Ökonomie der großen Theoretiker, namentlich Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayeks, ins breitere Volk zu bringen, sie zu popularisieren. Diesem Anliegen vor allem widmete er sein Leben nach dem Abschluß seines Unternehmerdaseins, nunmehr in der glücklichen Lage als unabhängiger Privatier im badischen Waghäusel.

Dabei verband Baader – eine seltene Kombination wie der von ihm gern zitierte Lord Acton – den Liberalismus mit dem Christentum: der Dekalog als „Verfassung der Freiheit“, die Gotteskindschaft jedes einzelnen und die Botschaft der freien Nächstenliebe gegen die Staatsvergötzung und die mörderische Raubethik des pseudomoralischen Sozialismus. Christus verlange, aus freier Überzeugung zu geben, aber nicht dem Nächsten mit Gewalt zu nehmen. Baader stellte sich mit derselben Vehemenz gegen den weitgehend untergegangenen totalitären Staatssozialismus wie gegen den „Samtpfotensozialismus“ des Wohlfahrtsstaates – beide führten in den Untergang moderner Zivilisation, der letztere nur langsamer.

Dabei hat er wie kaum ein anderer den Zusammenhang zwischen gesundem Geld (statt dem derzeitigen papierenen „Scheingeld“), der Moral und dem Fortbestand von Kultur und Zivilisation herausgearbeitet und die große Finanz- und Moralkrise schon zu einem Zeitpunkt vorausgesagt, als die meisten davon kaum eine Vorahnung hatten („Kreide für den Wolf“, 1991, auch die „Eurokatastrophe“, 1998): „Mitten im ausgelassenen Sommertagsfest beginnen die Feinfühligen zu frösteln.“ Dabei kritisierte er fast wie ein Tolstoi die Verbindung der Kirchen mit dem Wohlfahrtsstaat, die auf ihn ihren moralischen Auftrag abgewälzt und dadurch pervertiert hätten. Er selber lebte als Ehemann, Vater und Freund vor, was praktisches Christentum bedeutet.

Ich kenne nur wenige, die so gut Freund sein, „abgeben“ und „teilen“ konnten wie er. Er verstand sich „offiziell“ als Minimalstaatler, aber seine letzten Überzeugungen gingen doch mehr in die anarcholibertäre Richtung. „Obwohl ich mich den Minimalstaatlern und nicht den Anarchokapitalisten zurechne, gestehe ich freimütig ein, daß letztere die besseren Argumente haben“ (2005). Hans-Hermann Hoppe, Gründer der Property and Freedom Society, war einer seiner besten geistigen Freunde. Das Heil unserer Zivilisation sah Baader in einer „Rechristianisierung“ und – in der „Privatisierung des Bildungsweges“ (2002). Von seiner früh verstorbenen, beherzten und tapferen Schweizer Frau Uta erhielt er auf diesem Weg jede Bestärkung – das seltene Bild eines glücklichen, innig zusammenlebenden Paares.

Es ist ihm, ähnlich wie dem zuletzt verzweifelt „mit dem Hammer philosophierenden“ Friedrich Nietzsche, zu seinen Lebzeiten nicht gelungen, seine Botschaft in die breiteren Massen zu bringen. Die erlesene Schar seiner Gemeinde blieb übersichtlich. Das mag sich ändern. Die akademische Gemeinde befremdete er durch die apodiktische Gewalt seiner Sprache, die drastischen Bilder und die manchmal derbe Bombastik seines Ausdrucks, namentlich die beschwörende apokalyptische Untergangsrhetorik, das schonungslose Aussprechen „dessen, was ist“. Auf einer Freiburger Hayek-Veranstaltung erregten sein geldpolitischer Vortrag, seine Vorwürfe an die anwesende steuerfinanzierte professorale Intelligenz nur erstauntes und betretenes Schweigen. Niemand ging auf ihn ein. Wahrlich, er hätte die Hayek-Medaille verdient gehabt! Manchem erschien er wie ein alttestamentarischer Prophet, ein Jesaja oder Jeremias. Er sprach dabei in ruhiger Art, mit sonorer, tiefer, wohlklingender Stimme. Eine besondere Freude war sein warmherziges Lachen.

Berichten wir am Schluß (im Auszug) von seinem „Traum“ (1991): „Ich träume von einem vollbesetzten Bundestag (wohl nur bei Abstimmung über Diäten möglich). Plötzlich erhebt sich einer der Abgeordneten, allen anderen als aufrechtes Mannsbild bekannt, und tritt ans Mikrophon. Lange schaut er schweigend ins Hohe Haus … Dann sagt er: Meine Damen und Herren: Ich bin ein glühender Anhänger des demokratischen Rechtsstaates, ich bekenne mich zur freiheitlichen, individualistischen und christlichen Kultur … Und genau aus diesem ernsten Grund sage ich allen hier versammelten Volksvertretern: Ich brauche Eure Subventionen und Transferzahlungen nicht; ich will nicht Euer Kinder-, Mutterschafts- und Sterbegeld, nicht Eure tausend Almosen und milden Gaben, die ihr mir vorher aus der Tasche gezogen habt … All Euere Wahlfang-Pfennige und Scheine könnt Ihr Euch an den Hut stecken.“

„Ich bin nicht Euer Buchhalter, Statistiker und Belegsammler … Schickt Euer Millionenheer von Faulärschen und parasitären Umverteilern nach Hause … Ich bin niemandes Sklave, niemandes Kriecher und niemandes Liebediener. Ich bin ein freier Mann, der für sein Schicksal selbst und allein verantwortlich ist … der keine von mir bezahlten Paradiesverkünder braucht. Was ich brauche, das sind Freunde, Familie und rechtschaffene Christenmenschen, in guten und in schlechten Zeiten, und ich bin Freund, Familienmitglied und Christ auch dann, wenn es anderen schlecht geht; aber dazu brauche ich keine … bezahlten Schergen und staatsversorgten Wohltäter. Dazu brauche ich nur die mir Nahestehenden und den Herrgott …“

Roland, Du hast Dich in gewisser Weise auf den Tod gefreut, auf das Wiedersehen mit Uta, dessen Du Dir sicher warst. Dies gab Dir die Kraft, die über zehn schweren Jahre Deiner Krankheit durchzustehen – und die bequemere stoische Lösung zurückzuweisen. Möge Dich Dein Herrgott gnädig empfangen.

 

Prof. Dr. Gerd Habermann ist Vorsitzender der Friedrich-August- von-Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft. Zuletzt schrieb er auf dem Forum über das übersteigerte Gleichheitsdenken („Staatsfeminismus auf dem Vormarsch“, JF 51/11).

Foto: Roland Baader (1940–2012): Gegner von Geldzauber-Institutionen wie Notenbanken und Währungsfonds