© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Lockerungsübungen
Patentrezept für Arbeitslose
Karl Heinzen

Die liberalkonservative Regierung Portugals will nicht nur zu finanzpolitischer Solidität zurückfinden, sondern auch entschieden gegen die Arbeitslosigkeit vorgehen. Hierbei setzt sie insbesondere auf die Auswanderung derjenigen, die daheim keine Beschäftigung finden. So hat Ministerpräsident Pedro Passos Coelho arbeitslosen Lehrern, die angesichts seines Sparkurses keine Aussicht auf eine Anstellung im Staatsdienst mehr haben dürften, kürzlich geraten, ihr Glück in anderen Ländern zu versuchen, die ebenfalls zum portugiesischen Sprachraum gehören. Vor allem in Brasilien und Angola dürfte es an Chancen nicht mangeln. Kurz zuvor hatte bereits der Staatssekretär für Sport und Kultur an die Arbeitslosen insgesamt appelliert, ihre Bequemlichkeit zu überwinden und Erwerbsquellen jenseits der Landesgrenzen in Betracht zu ziehen. Ein dem Europäischen Parlament angehörender Parteifreund des Ministerpräsidenten merkte jedoch an, daß der Staat die Betroffenen in ihrem Bemühen nicht allein lassen dürfe. Er empfahl die Errichtung einer Agentur, die Auswanderungswillige unterstützt.

Da es das natürliche Bestreben eines jeden Politikers ist, eine möglichst große Zahl von Bürgern zu repräsentieren, wird man der portugiesischen Regierung eine gewisse Uneigennützigkeit nicht absprechen können. Sie fühlt sich dem Grundrecht auf individuelle Freizügigkeit verpflichtet und will die Voraussetzungen dafür schaffen, daß von ihm mehr als bisher Gebrauch gemacht wird.

Wie jede andere europäische Regierung, die ihre Bürger zu mehr Flexibilität und mehr Mobilität ermahnt, stößt sie dabei auf Widerstand. Dieser ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die Politik sich in der Vergangenheit nicht getraut hat, den Menschen die Wahrheit über die Erfordernisse einer modernen Ökonomie zu sagen. In ihr kann es keinen Anspruch darauf geben, daß Unternehmen ihre Standortentscheidungen unter der Maxime fällen, Populationen in jenen Siedlungsräumen zu belassen, in denen sie der historische Zufall hat ansässig werden lassen.

Es mag sich zwar manchmal so fügen, daß Arbeitsplätze dort entstehen, wo Arbeitsuchende wohnen. Der Regelfall ist aber ein anderer: Wer einen Job will, muß dorthin ziehen, wo ihm dieser geboten wird. Erfolg auf dem Arbeitsmarkt setzt voraus, daß man sich als Migrant begreift.