© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

NS-Symbolik und Strafrecht: Dogmatischer Erfindergeist
Rechtsgut Antifaschismus
(jr)

Der Paragraph 86a des Strafgesetzbuches, der das Verwenden nationalsozialistischer Kennzeichen sanktioniert, ist ein ungeliebtes Kind der StGB-Dogmatiker und Kommentatoren, hat aber mit durchschnittlich 1.500 Verurteilungen pro Jahr eine ansehnliche praktische Relevanz. Die Erlanger Privatdozentin Gabriele Kett-Straub spricht daher von einer „Misere“ des Paragraphen 86a StGB, da weder die Lehrbücher noch die „verwirrende Kasuistik“ überzeugend und im Einklang mit dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot ein Rechtsgut auswiesen, das durch diese Vorschrift geschützt werden soll. Der oft pauschal bemühte „demokratische Rechtsstaat“ eigne sich sowenig wie der öffentliche Friede oder die „Gefühle der Opfer des NS-Gewaltregimes“, die durch Hakenkreuze beleidigt würden. Trotzdem will Kett-Straub sich nicht der Forderung anschließen, die problematische Norm ersatzlos zu streichen (Neue Zeitschrift für Strafrecht, 11-2011). In SED-Diktion die bundesdeutsche „Abkehr vom Faschismus“ beschwörend, wartet sie vielmehr mit dem dogmatischen Novum auf, den „antifaschistischen Gründungsmythos“ der BRD zum „Rechtsgut“ zu erklären, das durch öffentlich präsentierte NS-Symbole verletzt werde. Die Strafdrohung sollte sich dabei auf das Hakenkreuz, SS-Runen und „das Kopfbild Hitlers“ beschränken.

www.rsw.beck.de