© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Öffentliche Witzfigur
Provokation: Ein tschechischer „Ereigniskünstler“ will mit Sarrazin-Büchern eine „Kunstaktion“ veranstalten
Richard Stoltz

Ach, er meint es doch so gut! Der tschechische „Ereigniskünstler“ Martin Zet wollte endlich auch einmal einen Beitrag zum verzweifelten Kampf seiner deutschen Kollegen „gegen Rechts“ liefern, und zu diesem Zweck ist er darangegangen, „mindestens 60.000 Exemplare des fremdenfeindlichen, rassistischen Buches von Thilo Sarrazin“ ( „Deutschland schafft sich ab“) einzusammeln und auf der nächsten Berliner Biennale im April demonstrativ „für einen guten Zweck zu recyceln“, auf deutsch: sie zu zerschreddern und zu vernichten. Doch sein Schuß geht nun nach hinten los.

Allerhöchste Bedenkenträger und PC-Aufseher melden sich und weisen darauf hin, daß eine solche Aktion doch allzu sehr an die NS-Bücherverbrennungen von 1933 erinnere. Man solle die Finger davon lassen. Die Intervention ist zu loben, aber glücklicherweise völlig überflüssig. Zet will die Bücher nämlich nicht selber kaufen, sondern er läßt an verschiedenen günstigen Orten Sammeltonnen aufstellen mit entsprechender Aufschrift, und dort hinein sollen die Sarrazin-Feinde also dessen angeblich ach so übles Buch werfen. In einem Interview gab der Künstler zu, daß bisher noch kein einziges Buch eingegangen sei.

Nun hält sich Martin Zet kokett für die „zur Zeit meistgehaßte Person Deutschlands“. Das ist natürlich wiederum reiner Kokolores, denn wer um Himmels willen sollte ihn denn hierzulande hassen? Allenfalls zu Hause in Prag könnte es für ihn ungemütlich werden.

Die Tschechen haben zwar viel Verständnis für öffentliche Witzfiguren, leisteten sich im Lauf ihrer Geschichte einen Blinden als Armeechef (Zizka von Trocnow), eine monumentale Fälschung als Nationalepos (Königinhofer Handschrift), einen literarischen Nationalhelden (Schwejk) mit auffälliger Knechtsmoral und dummschlauer Hinterhältigkeit. Ob sie nun aber auch noch einen Ereigniskünstler mit Schnapsideen als politischen Großtugendwächter haben wollen, daran kann man zweifeln. Einmal muß ja Schluß sein.

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