© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Ohnmacht des Staates
Strafverfolgung: Der kurdisch-libanesische Miri-Clan
Hinrich Rohbohm

Wo sie auftauchen, gibt es meist Ärger. Seit 30 Jahren versetzt der aus dem Südosten der Türkei stammende kurdisch-libanesische Miri-Familienclan die Hansestadt Bremen in Angst und Schrecken. Waffen- und Kokainhandel, Raub, Körperverletzung und Schutzgelderpressung sind die Delikte seiner 2.500 Mitglieder, von denen 1.100 bei der Polizei aktenkundig sind. Allein 1.400 von ihnen halten sich in Bremen auf, wo 2010 328 Miris 737 Straftaten begangen hatten. Auch in Essen und Berlin ist die Gruppe aktiv, die zudem in der Türsteher-Szene von Diskotheken und im Rotlicht-Milieu wirkt.

Auch die Polizei hat Angst vor dem äußerst gewalttätigen, den deutschen Rechtsstaat nicht akzeptierenden Clan, fühlt sich von der Politik der rot-grünen Landesregierung alleingelassen. Personalkürzungen sorgen bei den Beamten für zusätzlichen Frust. Zwar hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber der Großfamilie angekündigt. Doch den Worten waren bisher kaum Taten gefolgt.

Und die Mühlen der ebenfalls unterbesetzten Bremer Justiz mahlen langsam, wenn es um Straftaten der Miris geht. Auf der Polizeiwache getätigte Zeugenaussagen werden vor Gericht revidiert, Erinnerungslücken bei der Beschreibung von Tathergängen führen immer wieder zu Freisprüchen. Wie etwa im Falle des jüngst aus Mangel an Beweisen freigesprochenen, mehrfach vorbestraften Asylbewerbers und Chefs des verbotenen Motorrad-Clubs der Mongols, Ibrahim M. Der Richter hatte ihn nach einer Massenschlägerei mit verfeindeten und nicht minder kriminellen Hells-Angels-Leuten laufengelassen. Der Clan verhöhnte die Justiz mit einer Siegesfeier am Bremer Hillmannplatz.

Polizeiangaben zufolge erzielen die Miris allein durch Drogenhandel einen Umsatz von 50 Millionen Euro. Hinzu kommt eine jährliche Bezuschussung mit fast sieben Millionen Euro an Steuergeldern, da knapp die Hälfte der Miri-Angehörigen Hartz-IV-Zuwendungen erhält und der Staat für ihre rund 800 Kinder monatlich Kindergeld überweist. Darüber hinaus zahlt ihnen die öffentliche Hand Wohngeld sowie Heizkosten- und Bekleidungszuschüsse. Letztlich trägt der Steuerzahler auch die aus Straftaten entstandenen Kosten, wenn der Staat für Anwälte, Dolmetscher und Gefängnisaufenthalte aufkommen muß. Eine Abschiebung der Täter gestaltet sich schwierig. Wegen ihrer türkischen Staatsangehörigkeit seien sie wegen „geltender europarechtlicher Regelungen“ als „Quasi-EU-Bürger“ zu behandeln und könnten praktisch nicht ausgewiesen werden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen