© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

CD: Boris Tesic
Polyphones Instrument
Sebastian Hennig

Der 1983 in Bosnien geborene Boris Tesic hat sein erstes Gitarren-Solokonzert bereits als Elfjähriger bestritten. Im Jahr 2000 wurde er in seiner Heimat als „Schüler der Generation“ ausgezeichnet. Nach dem Besuch der Musikschule in Tuzla vervollkommnet er sein Spiel weiter in London und Maastricht. Inzwischen lebt er in Kassel, wo er seine künstlerische Reifeprüfung absolviert und wo auch die vorliegende CD „Boris Tesic – Nummer eins*“ aufgenommen wurde.

Der Titel mag auf das Tonträger-Debüt verweisen, wird aber auch dem Rang des Instrumentalisten gerecht, der sich in zahlreichen Preisen bei internationalen Wettbewerben dokumentiert. Mit einer Bearbeitung der ersten von Johann Sebastian Bachs „Sonaten und Partituren für Violine solo“ verknüpft Tesic die zarte Innigkeit des gezupften Saiteninstruments mit dem gravitätischen Ernst des Thomaskantors, der seine Kompositionen oft für andere Instrumente modifizierte. Tesic mußte sich in diesem Sinne zu helfen wissen, indem er daranging, „die violinbedingten Lücken zu füllen, um dem Kontrapunkt mehr Klarheit zu verschaffen. Dabei habe ich die Vorteile der Gitarre als polyphones Instrument genutzt …“

Den Mittelteil bestreiten drei Stücke, die ihrem Charakter nach für die Blütezeit der Gitarre als eines virtuosen Konzertinstrumentes zeugen. In der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bildeten sich die Gestalt der Konzertgitarre, die Anschlagtechnik und Sitzhaltung heraus. Mauro Giulianis „Rossinianas“ sind eingängige Fantasien zu Themen des Opernfürsten der Epoche. Die Melodien Rossinis werden von der Kunstfertigkeit des Gitarristen umrankt. Wenn der Süditaliener Giuliani als „Mozart der Gitarre“ gerühmt wurde, so begegnen uns in den Spaniern Fernando Sor und Dionisio Aguado gleichsam Kastor und Pollux des Genres. Ausgeschliffenes Spiel verkündet schon der Titel der „Tre Rondo Brillants“ von Aguado. Das zweite wird hier wiedergegeben. Aguado rühmte die Eigenheiten seines Instrumentes: „Meines Erachtens ist die Gitarre (…) süß, harmonisch, pathetisch, manchmal majestätisch. Sie hat nicht Zugang zur Erhabenheit der Harfe oder des Klaviers. Ihre zarte Anmut und ihre Vielfalt an Klangmodulationen machen sie hingegen zu einem Instrument voll von Geheimnissen.“

Joaquin Rodrigo knüpft ein Jahrhundert später an seine Landsleute an. „Tres Piezas Espanolas“ sind eine anspruchsvolle Symbiose aus archaischen Motiven, volkstümlicher Farbigkeit und moderner Spannung. Sein bekanntestes Werk ist das 1939 komponierte Solokonzert für Gitarre und Orchester das „Concierto de Aranjuez“.

Giulianis, Aguados und Rodrigos Kompositionen gründen auf ihrer Spielerfahrung. Die Fähigkeit des britischen Gitarristen Julian Bream wurde zum Anlaß für Kompositionen von Benjamin Britten, William Walton und Hans Werner Henze. Des letzteren „Royal Winter Music: Second Sonata“ nach Charakteren aus den Dramen Shakespeares beschließt die Platte. Die Verwandtschaft mit ihrem elektrifizierten Abkömmling, der das Rückgrat der Populärmusik bildet, läßt den Klang der akustischen Konzertgitarre in unseren umlärmten Ohren besonders scheu und uneitel wirken. Das bescheidene Auftreten des jungen Meisters verstärkt diesen Eindruck noch.

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