© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Der Mann hinter dem „Caroline-Urteil“
Matthias Prinz ist Deutschlands gefürchtetster Medienanwalt / Sein Vater war Chef von „Bild“
Ronald Berthold

Vielleicht hat der Mann ja recht. Früher war vieles besser. Früher veröffentlichten die Medien weniger erfundene Geschichten. Früher hatten selbst Paparazzi noch eine gewisse Ganovenehre – meint zumindest Matthias Prinz. Der Anwalt ist bei vielen Medien gefürchtet, weil er nicht nur Gegendarstellungen und Widerrufe, sondern auch hohe Geldentschädigungen durchsetzt.

Die heutige Arbeit vieler Fotografen, auf den günstigen Moment einer ungünstigen Pose zu warten, verabscheut der Presserechtler. Dabei hat der 55jährige durchaus ein Herz für gutgemachten Boulevardjournalismus – und den Vater aller Paparazzi. Kürzlich erst würdigte Prinz Ron Galella, der in der Nachkriegszeit Stars in der Öffentlichkeit gegen deren Willen ablichtete. „Man muß differenzieren zwischen dem, was da heute passiert“, sagte er der ARD, und dem wie Galella gearbeitet habe. Das seien damals keine „indiskreten Fotos“ gewesen.

Und so liegt wahrscheinlich auch derjenige falsch, der in Prinz’ juristischer Tätigkeit ein Aufarbeiten der Rolle seines Vaters vermutet. Günter Prinz (heute 81) war Chefredakteur der Bild-Zeitung, also nicht unbedingt dem Organ des Schutzes von Persönlichkeitsrechten, denen sich sein Sohn verschrieben hat. „Mein Vater war und ist ebenso gegen erfundene Geschichten, wie ich es bin“, entgegnet Matthias Prinz solchen Spekulationen.

Und dennoch: Wahr ist, daß Prinz junior juristisch jene Methode bekämpft, mit der der Senior Bild zur meistgelesenen Zeitung Europas machte – nämlich mit dem Bedienen von voyeuristischen Trieben. Allerdings haben sich die Zeiten geändert. Heute verstehen sich viele Handybesitzer als Leserreporter. Bilder von Promis werden gemacht und eine Sekunde später an die Redaktionen gesimst. Übrigens auch eine Sache, die Bild begonnen hat – freilich lange nach Günter Prinz. Effekt: Ein Prominenter ist heute nirgendwo mehr unbeobachtet, sobald er sich unter Menschen wagt.

Hinzu kommen die „Horden von Fotografen“ wie Prinz sie nennt, die Prominente ganz offen belagern. Der in Harvard ausgebildete Jurist erzählt gern die Geschichte, wie er seiner wohl berühmtesten Mandantin begegnete – Prinzessin Caroline von Monaco.

„Ich bin 1992 das erste Mal bei der Familie in St. Remy gewesen und habe mir die Situation dort angeschaut. Die Kinder Andrea, Charlotte und Pierre Casiraghi waren noch ganz klein. Morgens lauerten etwa zwanzig Paparazzi vor der Tür. Wenn Prinzessin Caroline mit den Kindern zur Schule fuhr, setzte sich der ganze Zug in Bewegung und verfolgte die Kleinen den ganzen Tag.“ Sieben Jahre später erstritt Prinz vor dem Bundesverfassungsgericht die Grundsatzentscheidung, daß Kinderfotos nicht mehr gegen den Willen der Eltern veröffentlicht werden dürfen, auch wenn diese noch so prominent sind. Und 2004 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf Betreiben der Prinzessin, vertreten durch Prinz, letztinstanzlich, daß durch die Veröffentlichung der Bilder von ihr, einem Begleiter und der Kinder das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt sei.

Dieses Urteil veränderte den Journalismus. Ein Prominenter ist nicht mehr automatisch eine Person der Zeitgeschichte, die in allen Lebenslagen gezeigt werden darf. Auf den meisten Fotos werden Kinder heute gepixelt, und der Umgang mit sogenannten „Abschüssen“ von Paparazzi ist deutlich sensibler geworden.

Mit diesen „Caroline-Urteilen“ ging Prinz in die Rechtsgeschichte ein. Er ist seitdem der bekannteste und gefragteste Medienrechtler Deutschlands. Nach eigenen Angaben nimmt er so gut wie keine neuen Mandanten mehr an. Unterstellten Medien allerdings einem Fußballnationalspieler Homosexualität, würde er den Kicker vertreten, erzählte er dem Spiegel. Denn die Berichterstattung darüber sei eine Persönlichkeitsrechtsverletzung – unabhängig davon, ob sie wahr sei.

Weniger Ruhm brachte ihm sein juristischer Beistand für den Gründer des Finanzdienstleisters AWD, Carsten Maschmeyer, im vergangenen Jahr ein. Bereits im Vorfeld der Ausstrahlung einer ARD-Sendung über dessen dubiose Verstrickungen mit der Politik versuchte Prinz, den Film zu verhindern. Während die TV-Station behauptete, Maschmeyer verweigere ein Interview, argumentierte Prinz, Maschmeyer komme in der Enthüllungsstory nicht ausreichend zu Wort. Durch die Affäre um Bundespräsident Christian Wulff, in der Maschmeyer ebenfalls eine Rolle spielt, bekommt dieser Fall eine neue Aktualität.

Ob sich die Tätigkeit für Maschmeyer unbedingt mit Prinz’ Ethos in Einklang bringen läßt, nicht gegen investigative Recherchen, die eine wahre Geschichte hervorbringen, vorzugehen, bleibt zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist, daß auch er nicht davor gefeit ist, geschäftliche Interessen über die Moral zu stellen.

Dabei gebührt Prinz in der Tat das Verdienst, die Auswüchse des Journalismus anzuprangern. Ein ungeheuerliches Beispiel, das der promovierte Jurist in Interviews wiederholt angeführt hat: Immer mehr Unternehmen heuern Berater an, die die Konkurrenz bei der Presse in Mißkredit bringen sollen. Diese Provokateure lancieren Dokumente, von denen nicht immer alle echt sind. Manch ein Reporter kann der Versuchung nicht widerstehen, diese Unterlagen zu veröffentlichen. So entstehen zunehmend Kampagnen, die auf erfundenen Fakten beruhen – eine Sache, die es früher so in der Tat nicht gab.

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