© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Mißernten in Problemfeldern
BASF verlagert „Grüne Gentechnik“ in die USA / Anhaltende Verbraucherskepsis in Europa
Michael Howanietz

Wir sind davon überzeugt, daß die Pflanzenbiotechnologie eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts ist. Andererseits fehlt in weiten Teilen Europas immer noch die entsprechende Akzeptanz bei der Mehrheit der Verbraucher, Landwirte und Politiker“, gestand vorige Woche Stefan Marcinowski, der zuständige BASF-Vorstand für „Grüne Gentechnik“, öffentlich ein. Die Unternehmens­zentrale von BASF Plant Science mit 157 Mitarbeitern in Limburgerhof bei Ludwigshafen werde daher nun nach Raleigh in North Carolina verlegt. Auch die kleinen BASF-Dependancen Gatersleben (Sachsen-Anhalt) und Svalöv (Schweden) würden geschlossen. BASF Plant Science werde sich künftig „auf die attraktiven Märkte in Nord- und Südamerika und die Wachstumsmärkte in Asien konzentrieren“, so Marcinowski.

Daß der weltgrößte Chemiekonzern vor der Skepsis vor der „Grünen Gentechnik“ kapituliert, überrascht nicht. Die Gegner haben neben emotionalen auch rationale Argumente zu bieten. Ob Biosprit, Nanotechnik, die Jagd nach dem vermeintlichen Klimakiller CO2 oder industrielle Nahrungsmittelsurrogate, die manchen Keim zum Ablebensmittel in sich tragen – auch die „Grüne Gentechnik“ ist heftig umstritten. Bringt sie wirklich einen kollektiven Mehrwert? Die Versprechen der Gentechnik-Industrie, das Welthungerproblem zu lösen, höhere Ernteerträge oder geringeren Pestizid-Einsatz gewährleisten zu können, werden durch unabhängige Studien in Frage gestellt. Der frühe US-Regierungsberater und Pflanzenpathologe Don Huber (Purdue University/Indiana) warnt seit Jahren eindringlich vor der fatalen Kombination von „Roundup-Ready“-Genpflanzenpflanzen und dem Breitbandherbizid Glyphosat.

Allergien, Karies, Fettleibigkeit oder Organschädigungen als mögliche Langzeitfolgen des Konsums von Nahrungsmitteln, die genveränderte Organismen (GVO) enthalten, sind werden nicht ausgeschlossen. In der EU sind etwa tierische Nahrungsmittel von der Gentechnik-Kennzeichnungspflicht ausdrücklich ausgenommen. Bio-Waren dürfen mit bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verunreinigt sein. Produkte, die nicht aus, aber mit GVOs produziert wurden, fallen ebenfalls durch die EU-Kennzeichnungs-Paragraphen. Der Verbraucher weiß also oftmals nicht, was er kauft, was auf seinem Teller und in seinem Organismus landet.

Verbote können die mangelhafte Kennzeichnung nicht kompensieren. Was bringen Verbote, wenn sie von denselben politischen Gremien, die sie beschließen, willkürlich wieder aufgehoben werden? So stimmten die EU-Staaten 2011 dafür, daß Futtermittelimporte mit auch in der EU nicht zugelassenen GVOs kontaminiert sein dürfen.

Während man die Gentechnik-Skepsis der Bevölkerung noch als Ängstlichkeit abtun kann, stecken hinter den augenscheinlichen Monopolisierungs­tendenzen im Nahrungsmittel- und Saatgutbereich handfeste wirtschaftliche Interessen. Es droht beim vermehrten Einsatz von „Grüner Gentechnik“ eine auf wenige Akteure beschränkte Auswahl- und Preisdiktatur, die den Produktionsprozeß vom Saatgut bis zum Handel kontrollieren könnte (JF 10/11).

Ausschalten oder Aufkaufen der Konkurrenz, Patente auf Leben und Knebelverträge für Vertragslandwirte sind einige der gängigen Werkzeuge, die ans Ziel industrieller Wunschträume führen, die manchem kritischen Konsumenten und bäuerlichen Kleinbetrieben Alpträume bereiten. Milliardenbeträge aus den Kriegskassen der Riesen der Branche, wie dem US-Konzern Monsanto oder dem Schweizer Konkurrenten Syngenta, bedingen eine Machtkonzentration, die immer häufiger auch politische Entscheidungsprozesse unterwandert.

Als Katalysator der agroindustriellen Land(wirtschaftsüber)nahme fungiert die aggressive Verdrängung auf Feld und Acker. Die vielbeschworene Koexistenz von biologischer oder konventioneller mit gentechnisch veränderter Landwirtschaft funktioniert in der agrarischen Realität nicht. Neben einem rapiden Rückgang der Arten- und Sortenvielfalt, den die gigantischen Monokulturen zwangsläufig mit sich bringen, sorgen Auskreuzungen durch Bestäubung oder Windübertragung für die GVO-Kontaminierung immer größerer landwirtschaftlicher Nutzflächen.

Dazu bieten die oftmals konstruierten Öko-Dogmen unserer Tage, wie der künstlich hochgespielte Bedarf an Energiepflanzen oder die Forderung nach Biokunststoffen, weitere Betätigungsfelder für die selbsternannten Weltverbesserer. Nun ist es ohne Frage weitblickend, den erst nach Jahrhunderten verrottenden, unsere Landschaften und Meere vergiftenden, auf petrochemischer Basis hergestellten Kunststoffverpackungen den Garaus zu machen. Ob aber der als Bio-Verpackung firmierende Joghurtbecher aus GVO-Mais die von umweltbewußten Zeitgenossen ersehnte Innovation ist, darf bezweifelt werden.

Die erwähnten Auskreuzungen, Transport, Verarbeitung und Lagerung bieten, bei ungenügender Hygiene, zahlreiche Kontaminationsmöglichkeiten. Bewußte Falschkennzeichnung wie das Überkleben verräterischer Inhaltsangaben tun ein übriges, die Totalverunsicherung des Publikums zu befördern. Da die solcherart verwirrte öffentliche Hand dann auch noch die enormen Mehrkosten für die Trennung der jeweiligen Ausgangsstoffe und Erzeugnisse zu tragen hat und Bauern selbst für einen etwaigen Nachweis der Reinheit ihrer Produkte aufzukommen haben, erhebt sich bald die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Aufwendungen, wenn doch diesbezügliche Nahrungsmittelsicherheit ohnedies nicht garantiert werden kann.

Neben solchen Hiobsbotschaften gehen dann auch gerne mal Berichte unter, die belegen, daß der Maiswurzelbohrer (JF 9/09), trotz Genmanipulationen, die ihm nachhaltig zu Leibe rücken sollten, in Gentechnik-Feldern fröhliche Urständ feiert. Oder Erkenntnisse über die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die GVOs ausschließlich auf Basis von Herstellergutachten zuläßt und deren Gutachter häufig enge Verbindungen zu jener Industrie aufweisen, die sie eigentlich prüfen sollten. Die EFSA urteilt ohne objektive, unabhängige Untersuchungen, die EU-Kommission stereotyp pro Gentechnik. Aber auch nationale Behörden agieren nicht selten auffallend „ungeschickt“, wie unter anderem die Aussaat von GVO-verunreinigtem Mais-Saatgut in Deutschland im Jahre 2010 zeigte.

BASF Plant Science gibt nun dennoch die Entwicklung und Kommerzialisierung aller GVO-Produkte für die europäischen Märkte auf. „Dies betrifft die gentechnisch veränderten Stärkekartoffeln (Amflora, Amadea und Modena), die gegen Kraut- und Knollenfäule resistente Kartoffel Fortuna, eine gegen Kraut- und Knollenfäule resistente Stärkekartoffel und eine Weizensorte, die resistent gegen Pilzbefall ist“, so die BASF-Presseabteilung. Nur die Zulassungsprozesse, die bereits angelaufen seien, würden fortgeführt. Die Verbraucher sind doch mächtiger, als sie glauben.

PlantGeneRisk – Datenbank zur Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU: www.testbiotech.de

Foto: Protest gegen die Genkartoffel Amflora vor dem BASF-Hauptsitz in Ludwigshafen: Die Verbraucher sind doch mächtiger, als sie glauben

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