© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Henkels Bewährungsprobe
Linksextremisten: Gewaltätter stellen den Berliner Innensenator auf die Probe
Henning Hoffgaard

Die Wände sind mit Parolen beschmiert, die Türen verbarrikadiert, die Rolläden an den Fenstern heruntergelassen. Nur im obersten Stockwerk der Rigaer Straße 94 im Berliner Stadtteil Friedrichshain brennt abgedunkelt noch fahles Licht. Doch die Stille ist trügerisch. Wo jetzt eine Frau den Bürgersteig entlangeilt und lieber nichts über die linksextremen Bewohner des „autonomen Zentrums“ sagen will, kam es am vergangenen Wochenende zu bürgerkriegsähnlichen Szenen. Während die Polizei versuchte, das zur Festung ausgebaute linke Zentrum zu stürmen, griffen die Hausbesetzer die Sicherheitskräfte mit Steinen, Flaschen und Feuerlöschern an. Zuvor hatten vermummte schwarz gekleidete Gestalten das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende ehemals besetzte Wohnhaus in der Liebigstraße 14 überfallen, Heizungsrohre zertreten, Feuer gelegt und Pflastersteine geworfen. Schließlich gelingt es den eintreffenden Beamten, dem gewalttätigen Treiben ein Ende zu setzen und die Rigaer Straße 94 kurzfristig zu räumen.

Aufgeheizt hatte sich die Situation bereits in den frühen Samstagabendstunden, in denen sich Anhänger der linken Szene in Neukölln und Kreuzberg eine Reihe schwerer Straßenschlachten mit der Polizei geliefert hatten. Ausgangspunkt war eine Demonstration, die sich gegen einen Sicherheitskongreß in der Hauptstadt richtete. Schon kurz nach Beginn hagelte es aus den Reihen der etwa 1.000 Teilnehmer Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf die 665 eingesetzten Polizisten. Acht von ihnen wurden verletzt, darunter auch der Beamte, der für den Kontakt zur Veranstaltungsleitung verantwortlich ist. Dem älteren und ungeschützten Polizisten wurde mit voller Wucht in den Rücken getreten. Kurz darauf löste die Demonstrationsanmelderin den Aufzug überraschend auf. Die Linksextremisten teilten sich daraufhin in kleinere Gruppen auf, attackierten Verkehrspolizisten, plünderten Geschäfte und griffen Banken an. Die Bilanz: 59 verletzte Polizisten, 60 vorläufige Festnahmen und 31 eingeleitete Ermittlungsverfahren unter anderem wegen schwerem Landfriedensbruch und versuchten Totschlages.

Die Ausschreitungen sind ein neuerlicher Höhepunkt linker Gewalt in der Hauptstadt. Erst Ende November war eine vom Linken-Politiker Kirill Jermak angemeldete Kurdendemonstration eskaliert. Bilanz: 87 verletzte Polizisten. Eine Woche zuvor gab es Krawalle bei der jährlichen „Silvio-Meier-Demonstration“. Die Polizei zählte fünf verletzte Beamte und eine verängstigte Mutter, die mit ihrem Kleinkind dem Steinhagel in ihrem Auto nur knapp entging. Im Unterschied zu den vorherigen Krawalldemonstationen trug am vergangenen Wochenende erstmals Berlins neuer Innensenator Frank Henkel (CDU) die Verantwortung für den Polizeieinsatz. Die Befürchtungen der Szene, Henkel könne eine „Null-Toleranz-Strategie“ fahren, bewahrheiteten sich jedoch nicht. Statt sich, wie sonst üblich, auf den linksextremen Internetplattformen Indymedia und Indymedia.Linksunten über angebliche massive „Bullengewalt“ zu beklagen, ziehen die Demonstrationsteilnehmer eine positive Bilanz. Die Sicherheitskräfte hätten sich „mächtig zurückgehalten“, schreibt ein Kommentator. Sichtbar seien diese nur an zwei Polizeirevieren aufgetreten. Ansonsten bot sich den Linksextremisten genügend Platz für „Dynamik“. Von tollen Konzepten, Ideen und einer gelungenen Umsetzung schwärmt ein anderer. „Sollte in Zukunft öfter mal genutzt werden!“

Daß die Polizei die Randalierer nicht früher stoppen konnte, lag auch an der geringen Anzahl eingesetzter Bereitschaftspolizisten. Lediglich „162 Dienstkräfte“ versuchten die nächtlichen Ausschreitungen zu beenden, wie ein Sprecher der Berliner Polizei der JUNGEN FREIHEIT mitteilt. Während des Wahlkampfes hatte die CDU Henkels Vorgänger Ehrhart Körting (SPD) noch zum Handeln aufgefordert. „Berlin ist Hauptstadt des linken Terrors“, stand auf zahlreichen Wahlkampf-Postkarten. Überrascht haben können die Krawalle Henkel also nicht. Zumal zur Demonstration massiv mobilisiert wurde. „Es ist der linken Szene offenbar gelungen, neben dem 1. Mai einen weiteren Schwerpunkt im ersten Halbjahr zu entwickeln“, sagte der Berliner Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, der JF. Nun wolle diese den neuen Innensenator so austesten. Dabei sei klar, daß Menschen, die „Gasflaschen auf Polizisten werfen“ sich außerhalb jeder Rechtsordnung stellen, betont Pfalzgraf. „Für solche Leute wurden Gefängnisse gebaut.“

Lange verschnaufen können die Polizisten nicht. Zum Jahrestag der Räumung der Liebigstraße 14 waren für diesen Donnerstag bereits weitere Demonstrationen angemeldet. Und dann kündigt sich bereits der 1. Mai, bei dem jährlich mehr als 10.000 Linksextremisten aufmarschieren. Für Innensenator Henkel brechen schwere Wochen an.

 

Liebigstraße 14

Das Haus in der Liebigstraße 14 wurde bereits 1990 besetzt, spielte innerhalb der linken Szene aber lange Jahre nur eine untergeordnete Rolle. Dies änderte sich mit der Räumung des Gebäudes am 2. Februar 2011. Bei anschließenden Straßenschlachten wurden einhundert der mehr als 2.500 eingesetzten Polizisten verletzt. Die neu eingezogenen Mieter werden seitdem bedroht und mit Metallkugeln und Steinen angegriffen. Zudem legten Unbekannte immer wieder Feuer.

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