© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Geheimdienst auf dem Prüfstand
Linksextremismus: Trotz wachsender Proteste verteidigt die Bundesregierung die Entscheidung des Verfassungsschutzes, Teile der Linkspartei zu beobachten
Paul Leonhard

Mit der Linken möchte SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht koalieren. Denn diese sei wenig berechenbar, gab er zu Protokoll. Niemand wisse, wer dort im Zweifel den Ton angebe. Diese Bauchschmerzen hat auch der Verfassungsschutz mit der aus westdeutschen Linken und mitteldeutschen Einheitssozialisten gebildeten Partei und mußte dafür in den vergangenen Tagen reichlich Kritik einstecken.

Der Geheimdienst interessiert sich dabei vor allem für jene Genossen, die die überalterte PDS in eine gesamtdeutsche Partei überführt haben und in dieser kommunistische Plattformen und marxistische Foren agieren lassen, und in der man sowohl den Marsch durch die Institutionen als auch den Bürgerkrieg übt. Der Politikwissenschaftler Sebastian Prinz stellte dazu in seiner 2010 erschienenen Dissertation „Die programmatische Entwicklung der PDS“ die Frage, „ob die PDS sich nur der für – zumindest auf absehbare Zeit – weitgehend unabänderlich gehaltenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung fügte oder diese aus Überzeugung bejahte“.

Entsprechend verteidigt die Bundesregierung noch die Entscheidung des Verfassungsschutzes. Im Fall der Linkspartei beziehungsweise PDS sei seit 1995 vielfach festgestellt worden, daß sie zu Recht beobachtet werde, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der vergangenen Woche im Bundestag. Für die Verteidigung der Demokratie sei es wichtig zu wissen, welche Kräfte innerhalb der Linken entscheidend sind. Friedrich betonte auch, daß dabei nicht die Partei als Ganzes, sondern lediglich einzelne ihrer Untergruppierungen als verfassungsfeindlich eingestuft würden. Neu ist es deswegen nicht, daß auch das Tun linker Bundestagsabgeordneter beobachtet wird. Daß nun eine Liste mit 27 Betroffenen (oder 42, wenn man die von den Landesämtern für Verfassungsschutz beobachteten mitrechnet) vorgelegt wurde, nutzt die Linke, um wieder in die Rolle der zu Unrecht Verfolgten zu schlüpfen.

„Alle Beobachteten haben gemeinsam, daß sie ursprünglich entweder aus der PDS, der DKP oder der trotzkistischen Organisation Linksruck stammen“, hat die Süddeutsche Zeitung analysiert. Es handelt sich also nicht um Sektierer, sondern um erfahrene Parteiarbeiter, die gelernt haben, den demokratischen Staat für ihre undemokratischen Ziele zu nutzen. Näheres zeigt beispielsweise ein Blick in das Programm der mit Steuergeldern finanzierten Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Trotzdem hat Bundesinnenminister Friedrich angeordnet, zu prüfen, ob die Liste der betroffenen Parlamentarier tatsächlich den geltenden Kriterien für eine Beobachtung entspreche. Das sind eine herausragende Funktion innerhalb der Parteistrukturen oder die Mitgliedschaft in einer offen extremistischen Teilvereinigung. Friedrich verwies dabei ausdrücklich auf den besonderen Rechtsstatus, der Abgeordneten vom Grundgesetz eingeräumt wird. Unklar ist zur Zeit, ob die linken Abgeordneten tatsächlich nur aus sogenannten offenen Quellen beobachtet oder doch auch geheimdienstliche Mittel eingesetzt werden.

Wie wenig sich Linkspolitiker im Alltag um die in der Verfassung garantierten Grundrechte scheren, bekommen Andersdenkende immer dann zu spüren, wenn sie sich öffentlich äußern wollen. So wurde beispielsweise der Thüringer Fraktionschef der Linken, Bodo Ramelow, von der sächsischen Justiz zur Zahlung von 3.400 Euro verurteilt, weil er genehmigte Demonstrationen in Dresden zu blockieren versuchte. Wegen desselben Delikts wurde der sächsische Links-Fraktionschef Andre Hahn verurteilt. Gegen die linken Bundestagsabgeordneten Caren Lay und Michael Leutert möchte die Staatsanwaltschaft wegen „Sprengung“ einer genehmigten Versammlung ermitteln. Jede Zurückhaltung gab unlängst der Bundestagsabgeordnete Jan Korte auf, als er, den Schriftsteller Thomas Mann zitierend, die Gleichsetzung von vermeintlichen Linksextremisten und Rechtsextremisten durch die Bundesregierung kritisierte. Antikommunismus sei eine „Grundtorheit unserer Epoche“, sagte Korte.

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