© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Grüne Nabelschau
Mecklenburg-Vorpommern: Eine Studie der Böll-Stiftung verteidigt die ökologische Landwirtschaft gegen tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten
Tilmann Wiesner

Braune Ökologen unterwandern den deutschen Nordosten – so könnte man die Botschaft einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung über das NPD-Umweltbewußtsein und dessen geistiges Hinterland zusammenfassen. Und sich die Lektüre ersparen, die vor allem eine Nabelschau grüner Ideologie bietet.

Zum einen klären die Autoren unfreiwillig darüber auf, wie sehr die Rechtsextremismusforschung zur Geschäftsgrundlage linksgrüner Vorfeldorganisationen geworden ist. Herausgeber sind neben der Grünen-nahen Stiftung die Evangelische Akademie Mecklenburg-Vorpommern als Trägerin der steuergeldfinanzierten Regionalzentren für demokratische Kultur und die Arbeitsstelle Politische Bildung der Universität Rostock in Person der „Expertin“ Gudrun Heinrich, die ebenfalls eine grüne Parteianbindung besitzt.

Offenbar sind die grünen Vordenker vom Umweltschutz-ist-Heimatschutz-Denken überrascht. „Ist eine ‘braun’ verortete Ökologie im Sinne von Nachhaltigkeit wirklich ökologisch?“ fragen die Herausgeber in der Einleitung verunsichert.

Johannes Melchert, Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung, bejubelt daher den Einzug der Grünen in den Schweriner Landtag im September 2011. Bis dato habe „eine starke Umwelt-Lobby“ im Parlament gefehlt, „so daß die NPD Öko-Themen leichter aufgreifen konnte.“ Mit Kampagnen wie „Genfraß – Nein Danke“ oder der Beteiligung an Bürgerinitiativen gegen den Braunkohleabbau im Landkreis Ludwigslust sei sogar der Schweriner NPD-Fraktionschef Udo Pastörs persönlich in „zivilgesellschaftliche Sphären“ vorgedrungen.

Gebannt starren die staatlich alimentierten Sozio- und Politologen aus den großstädtischen Instituten auf das „Leben der Anderen“, die mit kinderreichen Familien aufs Land ziehen und dort auf den Spuren der Artamanenbewegung wandeln. Diese, berichtet der Sozialgeschichtler Stefan Brauckmann, entsprang den Ideen der Jugendbewegung, zog nach dem Ersten Weltkrieg aber Arbeitslose und Freikorpsanhänger an, die auf dem Lande gemeinschaftlich siedelten. Das „völkisch-nationalistische Milieu“ okkupierte die Siedlungsbewegung, die sich als Artamanen, als „Hüter der Scholle“ oder „Männer der Tat“ verstanden. Ausgerechnet im Gau Mecklenburg überlebte der Bund der Artamanen die Krise der Weimarer Republik als „nationalsozialistischer freiwilliger Arbeitsdienst auf dem Lande“.

Eine ideale historische Projektionsfläche „brauner Gefahren“ für die heutigen „Nazijäger“ im entvölkerten Nordosten. Aus deren Praxis berichtet Richard Scherer, Mitglied im Kirchgemeinderat Reinshagen, aufgeregt: Zwischen den ostmecklenburgischen Kleinstädten Güstrow, Krakow und Teterow hätten sich seit den neunziger Jahren ungefähr 60 Siedler mit „völkisch-nationalem Hintergrund“ niedergelassen (JF 15/05). „Sie kommen ganz gezielt hierher, weil sie genau wissen, daß es sich hinsichtlich ökonomischer, kultureller und sozialer Strukturen um einen leeren Raum handelt.“ Als „Profiteure dieser Leere“, so der Soziologe und Theologe, müsse man die Siedler „zum Thema machen und dann auch den Vorwurf in Kauf nehmen, man würde überziehen“.

Es liegt nicht zuletzt an linken bis linksradikalen Autoren wie Toralf Staud und Andreas Speit, daß am Ende alles „braun“ erscheint, was nicht „grün“ ist. Die Propagandisten der bunten Republik werfen Konservative, christliche Naturschützer, Abtreibungsgegner und Patrioten in einen Topf mit Nationalisten, echten Rassisten und strammen Kameraden, würzen geschickt mit Blut-und-Boden-Horror aus dem Geschichtsunterricht – und fertig ist die bekannte „braune“ Soße.

Der Vorschlag des Greifswalder Politologen Hubertus Buchstein, eine „asketische Demokratie“ mit massiven Kompetenzerweiterungen des Umweltministeriums zu errichten – eine Art Umweltkammer mit Vetorechten bei Parlamentsentscheidungen – liest sich im Land von Ökostrom, Erneuerbare-Energien-Gesetzen und Nichtraucherkneipen wie blanker Hohn. Am Ende der grünen Aufklärungsbroschüre steht wie bei Lenin die Frage „Was tun?“ Die „ExpertInnen“ empfehlen dazu, in Bioläden über Produkte von „völkischen und menschenverachtenden Gruppen“ zu informieren und sie so aus dem Sortiment zu drängen. Eine Mustermail an Biomarktbetreiber soll den „Birkenstocknazis“ ökonomisch das Wasser abgraben.

Den grünen Töchtern und Söhnen der Aufklärung fällt hinter ihren Schreibpulten gar nicht auf, daß sie „gegen eine rechtsextreme Vereinnahmung von Umweltschutz und Ökologie“ genau das empfehlen, was in allen Diktaturen üblich war: Boykott und Denunziation.

Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Braune Ökologen, Hintergründe und Strukturen am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns. Schriften zur Demokratie, Band 26, Rostock 2012, broschiert, 112 Seiten. Im Internet herunterladbar unter: www.boell.de

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