© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Der Zuspruch wächst
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Front-National-Chefin Marine Le Pen holt in Umfragen auf, muß aber dennoch um ihre Wahlzulassung bangen
Friedrich-Thorsten Müller

Vor einem dreiviertel Jahr sorgten erstmals Umfragen für Furore, die Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechten Front National, einen möglichen Einzug in die Stichwahl zur Präsidentschaftswahl prognostizierten. Seither wurde sie durchgängig von den Demoskopen nur auf dem undankbaren dritten Platz gesehen, wenn auch stets mit knapp 20 Prozent der Wählerstimmen. Beständig auf Platz eins positionierte sich mit bis zu 30 Prozent der Stimmen, seit seinem Sieg bei den sozialistischen Vorwahlen im Oktober, François Hollande, der gerne als Anwalt des „Kleinen Mannes“ auftritt. Der konservative Amtsinhaber Nicolas Sarkozy versucht sich dagegen als Retter in der Schulden- und Euro-Krise zu profilieren.

Während man bei François Hollande mit steigender Siegeswahrscheinlichkeit eine gewisse Lustlosigkeit bei der Profilierung seines linken Wahlprogramms feststellt, hat Präsident Sarkozy einen deutlichen Dämpfer durch Frankreichs Verlust des „AAA“-Ratings erhalten.

Von beiden Umständen profitiert die 43jährige, der im letzten Jahr eine konstant hohe Medienpräsenz gelungen ist und die in diesem Zeitraum laut einer Erhebung von TNS Sofres für Le Monde den Anteil grundsätzlicher Sympathisanten des FN von 22 auf 31 Prozent ausbauen konnte.

Auch bezüglich der Wahlabsichten für den ersten Wahlgang der Präsidentenwahlen am 22. April konnte sie inzwischen bei einzelnen Umfragen wieder bis auf 1,5 Prozent zum Zweitplatzierten Sarkozy aufschließen. Dazu kommt das erstaunliche Ergebnis, daß inzwischen eine Mehrheit der Franzosen Le Pen Vertrauen schenken, die „französischen Werte und Identität verteidigen zu können“ (50 Prozent zu 48), so zumindest das Ergebnis einer Meinungsumfrage von CSA für die Zeitung Nice-Matin. Daran ändern auch Rückschläge nichts, wie die öffentliche Aussage des französischen Großrabbiners Gilles Bernheim, der den FN soeben für Juden als weiterhin unwählbar deklariert hat. Grund: Marine Le Pen hatte am letzten Wochenende den Ball des in der französischen Medienwelt unter Antisemitismusverdacht stehenden Wiener Korporationsrings besucht (siehe Seite 8).

Im Hinblick auf die Vielzahl der Probleme Frankreichs, besetzt Le Pen längst nicht mehr nur die klassischen „rechten“ Themen wie Einwanderung und Kriminalität. Gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ringt Frankreich mit sich, ob es einen „deutschen Weg“ der harten Reformen gehen soll, wie er gerade von Sarkozy in seinem neuen Regierungsprogramm angekündigt wurde. Die Vorsitzende des FN bringt dagegen lautstark einen Euro-Austritt mit einem um neun Prozent abgewerteten Franc und protektionistische Maßnahmen zur „Reindustrialisierung Frankreichs“ ins Spiel. Im Gegensatz zu ihrem 84jährigen Vater, dem Ehrenvorsitzenden des FN Jean-Marie Le Pen, hält sie dadurch die Anhebung des Rentenalters auf 65 Jahre für entbehrlich. Die französische Presse genießt es, gelegentliche Widersprüche von Vater und Tochter ans Licht zu bringen, wenn es ihr auch bisher nicht gelungen ist, einen Keil zwischen beide zu treiben.

Gleichwohl stellen momentan weiterhin die erforderlichen 500 Unterstützungsunterschriften von Mandatsträgern („Patenschaften“), die Le Pen bis zum 16. März vorlegen muß, die größte Hürde für ihre Kandidatur dar.

Sechs Wochen vor Ablauf der Abgabefrist verharrt die Zahl der „Patenschaften“ weiterhin bei etwas über 300. Durch das vorherrschende Mehrheitswahlrecht und die darum nur kleine Zahl eigener Mandatsträger, muß der FN den Großteil der Unterschriften beim politischen Gegner einwerben. Da man aber nur einen Kandidaten unterstützen kann, stellt sich ein Unterstützer in der eigenen Partei selbst dann ins Abseits, wenn der Kandidat der eigenen Partei bei weitem genügend Unterschriften hat.

Aktuell macht Marine Le Pen darum massiv – zum Beispiel durch die Organisation einer Demonstration in Paris – Druck, daß die Namen der Unterstützer geheimgehalten werden. Sollte ihre Kandidatur an fehlenden „Patenschaften“ scheitern, droht sie im Gegenzug denen, die ihr die Unterschrift verweigert haben, ebenfalls mit der Veröffentlichung der Namen.

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