© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

EZB-Geldschwemme und deutsche Negativzinsen
Das System wankt
Philipp Bagus

Ende vorigen Jahres pumpte die Europäische Zentralbank (EZB) 500 Milliarden Euro in Form von Dreijahreskrediten ins Bankensystem. Im Januar hinterlegen Banken wiederum über 500 Milliarden Euro bei der EZB. Gleichzeitig kann Deutschland durchs Schuldenmachen Gewinne einfahren, auch die Niederlande profitierten von Negativzinsen. Wie paßt das alles zusammen?

Die Ereignisse sind Ausdruck von immenser Unsicherheit im Finanzsystem. Viele Banken sind insolvent, sie haben Immobilienblasen und verschwenderische Staaten finanziert. Nur großzügige Liquiditätsspritzen durch die EZB halten sie künstlich am Leben. Andere Banken trauen dem Braten schon lange nicht mehr und erneuern ablaufende Kredite an ihre taumelnden Wettbewerber nicht.

Nehmen wir an, eine deutsche Bank gab 2009 einen dreijährigen Kredit an eine griechische. Die Hellenen würden den ablaufenden Kredit gerne erneuern. Das deutsche Geldhaus weigert sich jedoch, denn die griechischen Banken haben griechische Anleihen gekauft. Wenn die Regierung ihre Zahlungen einstellt, gehen auch die griechischen Banken pleite. Da die Lage anderer Banken ähnlich ungewiß ist, hinterlegt die deutsche Bank das fällige Geld auf ihrem Konto bei der Bundesbank, die quasi eine EZB-Filiale ist. Dort ist das Geld sicher, denn die EZB kann neues Geld herstellen.

Vom wem aber bekommt die griechische Bank das Geld, um den Kredit zurückzuzahlen? Von der EZB bzw. der griechischen Zentralbank, die neues Geld schafft (siehe 500-Milliarden-Kreditspritze). Im Grunde springt die EZB für den zusammenbrechenden Interbankenmarkt ein. Eine Folge sind die berühmten Target-II-Salden (JF 46/11). Die Bundesbank bekommt einen positiven Saldo gegenüber der EZB, die griechische Zentralbank einen negativen. Großunternehmen oder Fonds unterhalten kein EZB-Konto. Wie können sie ihr Geld sichern? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie eine Million Euro auf einem griechischen Bankkonto stehen hätten? Der staatliche Einlagenschutz ist begrenzt und in diesem Falle ist Griechenland der Garantiegeber. Banken sind unsicher. Wem ist noch zu trauen? Den Staaten, die noch glaubhaft ihre braven Steuerzahler ausnehmen können, um ihre Schulden zu begleichen.

Eine Bundesanleihe, die in sechs Monaten fällig ist, ist daher sicherer als ein Bankkonto. So sind die Anleger bereit, für eine deutsche Anleihe, die in sechs Monaten 100 Euro ausschüttet, heute 101 Euro zu zahlen. Besser als es auf dem Konto zu lassen und am Ende mit leeren Händen dazustehen. Wie wird die Situation enden? Ein bereinigendes Gewitter wird nicht zugelassen. Auch die Steuerzahler werden letztlich das marode Finanzsystem wohl nicht sanieren. Es wird wahrscheinlich auf eine weitere Geldwertverwässerung hinauslaufen. Die EZB wird Banken und Staaten durch neue Geldproduktion retten.

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