© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Eure Majestät, Fridericus Gebühr
Paraderolle für Otto Gebühr: Friedrich II. von Preußen im deutschen Film
Egon W. Scherer

Friedrich der Große, an den gegenwärtig aufgrund seines 300. Geburtstages vielfach erinnert wird (JF 2/12), war auch im deutschen Film immer ein großes Thema. Immerhin ist König Friedrich II. von Preußen die meistverfilmte Persönlichkeit der deutschen Geschichte. Schon zur Stummfilmzeit entstanden Friedrich-Filme, so als erstes der 1897 unter der Regie von Oskar Messter gedrehte Streifen „Friedrich der Große beim Flötenspiel“. Etliche andere Filme über die bedeutendste preußische Majestät folgten. Aber nach dem Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik, hatte der große König auf der Leinwand bald nur noch ein Gesicht – das des Schauspielers Otto Gebühr (1877–1954), der wohl nicht zuletzt wegen seiner starken physiognomischen Ähnlichkeit auf diese Rolle abonniert war. In insgesamt 16 Filmen verkörperte Gebühr Friedrich den Großen.

Mit seinem Auftritt im Film „Die Tänzerin Barberina“ begann 1920 Gebührs Friedrich-Karriere. Im Ufa-Film „Fridericus Rex“ von 1922/1923, einem Vierteiler (Regie: Arzen von Cserépy), verwuchs er weiter mit seiner Rolle. Das Publikum sah ihn in „Die Mühle von Sanssouci“ (1925/26), in dem Zweiteiler „Der Alte Fritz“ (1927/28) und schließlich im ersten Tonfilm zum Thema „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ (1930).

Weitere ansehnliche Filmwerke mit Otto Gebühr als Preußenkönig Friedrich waren „Der Choral von Leuthen“ (1932/33), „Fridericus“ (1937) und als Krönung „Der große König“, ein schon mitten im Zweiten Weltkrieg 1941/42 mit großem Aufwand unter der Regie von Veit Harlan produzierter Film. Für die gewaltigen Film-Schlachten stellte man dem Regisseur Soldaten der Wehrmacht, Beamte der Berliner Polizei sowie auch 5.000 Pferde zur Verfügung. Auf Anordnung von Propagandaminister Goebbels mußte die Rolle Gebührs im Film überall da nachsynchronisiert werden, wo der Schauspieler allzu deutlich berlinerte oder gar französisch parlierte.

Erstaunlich ist, daß weitaus die meisten Filme über Friedrich den Großen in der Weimarer Republik gedreht wurden, nicht etwa unter dem Hitler-Regime. Die Häufung der Filme um Friedrich II. und überhaupt die Flut von patriotischen Filmwerken in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die zumeist in der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleons Herrschaft (1809–1815) spielten, erklärt sich wohl dadurch, daß diese Produkte den Nerv der Zeit trafen. Nach dem verlorenen Krieg tat patriotische Erbauung wohl.

Seine Hauptrolle in den vielen Friedrich-Filmen machte Otto Gebühr derart populär, daß er in Berlin kaum noch unerkannt durch die Stadt kam. Berliner Gören riefen „Oller Fritz“ hinter ihm her. Auch manche Erwachsene redeten ihn scherzhaft mit „Eure Majestät“ an. Der Briefträger, der zuweilen auch Briefe mit der Anschrift „Fridericus Gebühr“ zu überbringen hatte, salutierte bei der Postübergabe an den Schauspieler. Als einmal eine Schulklasse einen Ausflug nach Schloß Sanssouci unternahm, zeigte der Lehrer auf ein Gemälde des großen Preußenkönigs und fragte einen der Zöglinge: „Weißt Du denn, wer das ist?“ Die Antwort kam prompt: „Klar, Otto Gebühr!“

Von den sechs in der NS-Zeit herausgekommenen Friedrich-Filmen waren einige sogar eher heiterer Natur. Die unterhaltsamen Kurzfilme „Anekdoten um den Alten Fritz“ und „Heiteres und Ernstes um den großen König“ (1935 und 1936) wurden von Phil(ipp) Jutzi inszeniert, der sich noch in der Weimarer Zeit als führender Regisseur des „proletarischen Films“ einen Namen gemacht hatte. So drehte er beispielsweise „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ (1929) und vor allem „Berlin Alexanderplatz“ (1931, mit Heinrich George als Franz Biberpelz), überwarf sich dann aber mit der KPD und trat 1933 der NSDAP bei. Phil Jutzi starb kurz nach Kriegsende 1946.

Im Dritten Reich war der 1934/35 entstandene Film „Der alte und der junge König“, bei dem Hans Steinhoff Regie führte, dem Vater-Sohn-Konflikt zwischen Friedrichs Vater, dem König Friedrich Wilhelm I., und dem jungen Kronprinzen gewidmet. Emil Jannings spielte den „Soldatenkönig“, Werner Hinze den unter den barbarischen Erziehungsversuchen des Vaters leidenden Prinzen. Otto Gebühr erschien wieder in seiner Starrolle im 1937 herauskommenden Streifen „Fridericus“, Regie führte hier Johannes Meyer. Im gleichen Jahr gab er den König im Film „Das schöne Fräulein Schragg“. In den beiden Kurzfilmen von Phil Jutzi sah man einmal Otto Gebühr, einmal den Schauspieler Theodor Loos als Friedrich-Darsteller.

Der Tobis-Film „Der große König“ mit Gebührs letztem Auftritt als „Alter Fritz“ war schon, wie später mehr noch „Kolberg“ (1945), ein Durchhaltefilm im Sinne des NS-Regimes, ging es doch um unbeirrtes Ausharren inmitten einer Welt von Feinden. 1943, als der Film uraufgeführt wurde, für das Deutsche reich nicht anders als für Friedrichs Preußen im Siebenjährigen Krieg. Immerhin wurde „Der große König“, gemessen am Publikumsinteresse, zu einem der dreißig erfolgreichsten Filme des Dritten Reiches.

Die bis 1945 produzierten Filme über Friedrich den Großen dienten zweifellos zumeist seiner Stilisierung zum Mythos. Nach Kriegsende war es damit vorbei. Es gab keinen großen Kinofilm zum Thema mehr. 1972 drehte man in der DDR den Defa-Film „Die gestohlene Schlacht“, in dem Nationalpreisträger Herwart Grosse einen ziemlich giftig-galligen Friedrich mimte. Dafür erschien der König noch in etlichen bundesdeutschen Fernsehproduktionen auf dem Bildschirm. Eine DVD-Dokumentation „Friedrich II. und der Film“, die viele Ausschnitte aus alten Fridericus-Filmen enthält, soll in Vorbereitung sein und wohl noch dieses Jahr herauskommen.

Foto: Otto Gebühr als Friedrich II. von Preußen in dem Veit-Harlan-Film „Der größe König“ (1942): Berliner Gören riefen „Oller Fritz“

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