© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

„Wer wird Millionär?“, die tausendste
RTL-Quizsendung ein „TV-Monument“ / Günther Jauch besticht mit niveauvoller Unterhaltung
Lion Edler

Für das deutsche Fernsehpublikum nimmt Günther Jauch ungefähr die Rolle ein, die Helmut Schmidt in der Politik ausübt: Beide gelten als kenntnisreich, sehr distanziert und stoisch über den Dingen stehend. Und beide sind schon so lange unangefochtene Identifikationsfiguren, daß es einem manchmal schon fast unheimlich wird angesichts der sonst so schnelllebigen Medienwelt.

Auch Jauchs Quiz-Sendung „Wer wird Millionär?“ (WWM) ist eine Art TV-Monument: Am Freitag wird der 1956 in Münster geborene Journalist und TV-Unterhalter zum 1000. Mal seine Kandidaten zum Schwitzen bringen.

Seit dem letzten Herbst läuft nun auch Jauchs gleichnamige ARD-Talksendung. Bei deren etwas holprigen Start war ihm noch ein wenig die Nervosität anzumerken, nachdem die Show mit regelrechten Heilserwartungen ins Rennen geschickt wurde. Besonders schwach war Jauchs Interview mit Angela Merkel im September. Er versuchte freundlich zu sein und trotzdem kritische Fragen zu stellen. Dabei verhedderte er sich und gab so eher das Bild eines Untertans ab als das eines Profijournalisten. „Der Euro taugt nichts, wir werden wegen Ihrer Politik alle unser Erspartes verlieren.“ Das wollte er ihr sagen, brachte es aber nicht über die Lippen. Es war beinahe schmerzhaft ihm zuzusehen.

Wenig später fragte er eine WWM-Kandidatin, was sie mit den 16.000 Euro mache? Sie wolle das Geld vielleicht sparen oder für die Kinder anlegen. Wie aus der Kanone geschossen kam Jauchs Antwort: „Pfandbriefe sind bald nichts mehr wert – die Währungsreform kommt.“ Das war der Günther Jauch, den die Deutschen gerne im Gespräch mit Angela Merkel gesehen hätten.

Andererseits überzeugt Jauch durch eben diesen unaufgeregten Moderationsstil, was auch der Fernseh-Souverän goutiert: Im Januar erreichte seine Gesprächssendung zum Thema „Der Problem-Präsident – wie glaubwürdig ist Christian Wulff?“ eine Rekord-Einschaltquote von 5,81 Millionen Zuschauern ab drei Jahren. Macht einen Marktanteil von rund 17,5 Prozent.

Manchmal wäre etwas mehr kritisches Nachhaken bei den Gästen wünschenswert, doch andererseits läßt Jauch sie wenigstens ausreden und hebt sich schon allein damit angenehm von anderen Talksendungen wie Maischberger und Illner ab. Wohltuend fällt auch seine ausgewogene und faire Gegenüberstellung der Meinungslager etwa in der Wulff-Debatte auf. Jauch thematisierte die Verfehlungen des Bundespräsidenten ebenso wie die Übertreibungen durch die Medien.

Aber war es wirklich nötig, sich volle drei Sendungen mit Leben und Wirken des Christian Wulff zu beschäftigen? Wobei viele Deutsche ja nichts dagegen hätten, wenn Jauch selbst dafür sorgen würde, daß sich die leidige Wulff-Diskussion erübrigt: In Umfragen über den Wunschkandidaten für das Bundespräsidenten-Amt landet Jauch regelmäßig auf Platz eins.

Für Jauch ist das nur Schall und Rauch. „Ach, diese Umfragen“, zitierte ihn die Wochenzeitung Die Zeit. „Ich bin nun mal der Onkel, der in den Wohnzimmern der Menschen auftaucht und Beträge von 500 Euro bis zu einer Million verschenkt. So einer ist nun mal beliebter als der Bundesfinanzminister.“ Die Fernsehlegende fürchtet gar, nach seiner Karriere sofort vergessen zu werden: „Was ich gemacht habe, ist nichts Bleibendes.“

Aber der vielseitig interessierte Fernsehmann tut ja auch etwas für das Bleibende. Jauch spendete großzügig für den Wiederaufbau des Potsdamer Belvedere und anderer historischer Gebäude, unterstützte die Errichtung einer katholischen Grundschule des Erzbistums Berlin in Potsdam und stellte sich an die Seite des Berliner Volksbegehrens „Pro Reli“, das für Religion als Wahlpflichtfach in Berliner Schulen eintrat. Für die Tageszeitung Die Welt vertritt Jauch „einen Konservatismus, der sich nicht selbst genug ist, sondern ebenso zu Hause ist in der Welt der Moderne“. Lediglich in seinem Geschäft ist er paradoxerweise nur bedingt zu Hause. Auf die Frage, ob ihm das Fernsehen noch Spaß mache, erklärt Jauch einmal: „Die Sendungen schon, aber das Drumherum.“

Vom Drumherum hält Jauch sich so fern wie möglich. Wenn jemand über sein Privatleben berichtet, geht er gerichtlich gegen Boulevardmedien vor. Es gehe die Leute „nichts an, wie unsere Tapeten gemustert sind“, findet Jauch. Wer Beschreibungen seiner Person durch Journalisten liest, gewinnt den Eindruck eines Mannes, der mitten in der Fernsehmanege und doch gewissermaßen in der inneren Emigration lebt.

In den ersten Jahren von WWM hatten die Kandidaten auf die Frage, warum sie sich beworben haben, gesagt: Sie bräuchten die Million, und sie wollten es allen zeigen. Heute antworteten acht von zehn: Mein Auto hat schon 170.000 Kilometer drauf, und meine Frau wünscht sich einen gebrauchten Dreier-BMW für 17.500 Euro.

Viele Deutsche halten Wulff für sympathisch, aber nicht für glaubwürdig oder ehrlich. Was man daraus denn wohl ablesen könne, wollte Jauch von seiner Gesprächsrunde wissen. Jauch würde freilich in allen drei Kategorien bestens abschneiden. Seine ungebrochene Popularität kann man als Hoffnungszeichen dahingehend sehen, daß man nicht jeden niveaulosen Dreck mitmachen muß, und dennoch großen Erfolg haben kann. Sogar im Fernsehen.

Wer wird Millionär? Am 3. Februar sendet RTL die 1000. Folge der Erfolgsserie. www.rtl.de

Foto: TV-Moderator Günther Jauch: Die Deutschen würden ihn vermutlich sofort zum Präsidenten wählen

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