© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Grüße aus Bern
Asien kann kommen
Frank Liebermann

Nicht nur eine schwache Währung kann ein Fluch sein, sondern auch eine starke. Im Moment spürt das die Schweizer Wirtschaft bitterlich. Nicht nur die Exportindustrie leidet unter dem starken Frankenkurs, auch der Tourismus erfährt deutliche Umsatzeinbußen. Rund ein Drittel aller Übernachtungen machten bisher die europäischen Touristen aus, die immer häufiger ausbleiben. Und diejenigen, die überhaupt noch kommen, drehen jeden Euro mehrfach um.

Im Kanton Bern ergreifen die Betroffenen nun erste Gegenmaßnahmen. Die Initiative „Glacier 3000“ startete ein neues Programm, welches vor allem für Chinesen, Inder und Russen attraktiv sein soll. Ein Juwelier, Hotels, eine Bahn und der Tourismusverband haben ein neues Erlebnisprogramm für die asiatische Zielgruppe zusammengestellt. In einem Rundumpaket sollen die Gäste Natur, Schnee, eidgenössische Produkte und Einkaufsmöglichkeiten in kurzer Zeit kombinieren und vor allem konsumieren können.

Ein ganz besonderes Augenmerk richtet „Glacier 3000“ auf die Tagestouristen. Viele Asiaten buchen komplette Europareisen und haben einen sehr strikten Zeitplan. Mehr als ein Tag Schweiz ist da nicht drin. Das neue Erlebnisangebot ist so gemacht, daß es sich an nur einem Tag durchführen läßt.

Besonders in Indien ist die Schweiz populärer als jemals zuvor. Diente doch das Berner Oberland schon mehrfach als Kulisse für Bollywood-Filme – was für eine vermehrte Anzahl an indischen Touristen sorgte, und zwar nicht nur während der Dreharbeiten.

Ein anderer Vorteil liegt in der Preissensitivität der neuen Touristen. Diejenigen, die sich einen Abstecher nach Europa leisten können, zählen meist zur neuen Ober- oder gehobenen Mittelschicht. Auf ein paar Schweizer Franken kommt es da nicht an. Nicht verwunderlich ist es da dann auch, wenn plötzlich die Asiaten als „Lichtblick“ für die darbende Branche gewürdigt werden.

Der neue Asisatenboom stößt aber auch an seine Grenzen. Denn noch lange nicht alle, die kommen wollen, können auch kommen. Die zuständigen Schweizer Behörden in den Ländern haben nämlich zunehmend Probleme, die Masse der Visaanfragen zeitnah zu bearbeiten. Jetzt ist das Außendepartement in Bern gefragt. Die Tourismusdirektoren verlangen eine Aufstockung der personellen Kapazitäten.

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