© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Verspätete Offensive
Zukunft der Industrie: Neue Rohstoff-Allianz deutscher Unternehmen / Jahrelange Versäumnisse rächen sich
Marco Meng

Der Kampf um die Ressourcen der Erde ist in vollem Gange. Vorige Woche sorgte ein Urteil zu Exportbeschränkungen bei neun Rohstoffen für Furore: Die Berufungsinstanz der Welthandelsorganisation (WTO) bestätigte einen Entscheid von 2011, wonach China seine Ausfuhrzölle und -quoten für Bauxit, Koks, Magnesium, Zink und weitere begehrte Rohstoffe „in Übereinstimmung mit seinen WTO-Pflichten“ bringen müsse. „Ich erwarte, daß China sein gesamtes Exportregime – einschließlich jenes bei den Seltenen Erden – mit den Regeln der WTO in Übereinstimmung bringt“, erklärte EU-Handelskommissar Karel De Gucht. China müsse aufhören, „mit protektionistischen Werkzeugen seine heimische Industrie auf Kosten der ausländischen Konkurrenz zu fördern“. Der US-Handelsbeauftrage Ron Kirk Washington sprach sogar von einem „enormen Sieg“. Um den zu sichern und Nachahmer abzuschrecken werden nun in Darwin, Australiens „Tor zu Asien“, sogar 2.500 US-Marineinfanteristen stationiert. Im Streit um Ausfuhrzölle für Seltene Erden hatten die USA ohnehin angekündigt, die Volksrepublik erneut vor der WTO verklagen zu wollen.

Wie problematisch die Versorgung für die deutsche Wirtschaft ist, brachte im Herbst eine Studie hervor: Steigende Preise für Rohstoffe belasten den deutschen Mittelstand in erheblichem Maße. Für rund zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen wirkt sich die Verteuerung negativ auf die Geschäfte aus. Drei von vier Firmen benötigen Rohstoffe oder rohstoffintensive Vorprodukte.

Die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist somit wegen Rohstoffmangel gefährdet. Nachdem von politischer Seite bislang nur wenig geschah, hat sich die Wirtschaft unter Führung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zu einer Allianz zur Rohstoffsicherung zusammengeschlossen. Die Gründungsphase finanzieren zunächst zwölf deutsche Großkonzerne: Aurubis, BASF, Bayer, BMW, Chemetall, Daimler, Evonik Industries, Georgsmarienhütte Holding, Bosch, Stahl-Holding-Saar, ThyssenKrupp und Wacker Chemie.

Ziel des Zusammenschlusses ist es, eine global agierende, gewinnorientierte Rohstoffgesellschaft zu gründen, die der deutschen Industrie einen unabhängigen Zugang zu kritischen Rohstoffen ermöglicht. Die Metalle der Seltenen Erden (JF 39/11) stehen ganz oben auf der Wunschliste der Initiative, worauf auch die neue Rohstoffpartnerschaft mit der Mongolei abzielt. Etwas Ähnliches wurde mit Kasachstan vereinbart (JF 6/12).

Das Bundeswirtschaftsministerium will zudem künftig Firmen finanziell unterstützen, die im Ausland Rohstoffvorkommen erkunden und ausbeuten und so den Zugang zu begehrten Industrierohstoffen sichern. Geplant sind sogenannte bedingt rückzahlbare Zuwendungen: Unternehmen müssen die Darlehen nur zurückzahlen, wenn sie bei der Exploration auf Vorkommen stoßen, die sich rentabel ausbeuten lassen.

Obwohl die Seltenen Erden eigentlich gar nicht so selten wie Gold oder Platin sind, ist ihr Angebot derzeit knapp. China kontrolliert – dank kurzfristigem Quartalsdenken und westlicher Unbekümmertheit – derzeit über 95 Prozent der Weltproduktion. Peking verknappt das Angebot durch niedrigere Exportquoten – die boomende chinesische Wirtschaft benötigt die Rohstoffe selbst und will zugleich den Wettbewerbsvorteil nutzen, um andere Industrienationen zu „überholen“. Die Preise haben sich daher vervielfacht. Weltweit suchen Unternehmen und Regierungen händeringend nach Lösungen (JF 4/12).

So hat Toyota eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, die die Versorgung sicherstellen soll. ThyssenKrupp Metallurgical Products – 2011 entstanden aus dem Zusammenschluß der Konzern-Töchter Metallurgie und MinEnergy – sicherte sich vertraglich 15 Prozent der jährlich 20.000 Tonnen Seltenerdoxide, die der australische Konzern Arafura künftig fördern will. Siemens kooperiert mit der australischen Lynas Corporation, um sich so von der Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu befreien.

In den USA soll die Mountain-Pass-Mine wieder die Produktion aufnehmen: Das Bergwerk in Kalifornien zeichnete bis in die achtziger Jahre für einen Großteil der Weltproduktion verantwortlich, wurde dann aber stillgelegt, weil China billig und ohne Rücksicht auf Umweltschutzauflagen produzieren konnte. Jetzt lohnt die Förderung wieder – und die Metalle sind längst Spekulationsobjekt der großen „Investment“-Zocker: So hat zum Beispiel die Schweizer Großbank UBS kürzlich einen Seltene-Erden-Fonds auf den Markt gebracht.

Daß die deutsche Wirtschaft überhaupt um ihre Rohstoffversorgung bangen muß, ist selbstverschuldet. Als Mineralien und Metalle zu Niedrigpreisen gehandelt wurden, trennten sich viele Konzerne vom teuren Abbaugeschäft. Inzwischen haben sich aber ressourcenreiche Staaten in Afrika und Mittelasien längst mit Ländern wie China, Japan oder Rußland verbündet.

Die deutsche Rohstoff-Allianz kommt dabei nicht nur spät, sondern auch nur langsam voran. Frühestens Mitte 2012 sei mit dem Start zu rechnen. Als Lösung des Rohstoffproblems sieht über die Hälfte der befragten Firmen in Innovationen den Schlüssel: Demnach bemühen sich nur 35 Prozent um mehr Effizienz beim Rohstoffverbrauch, 23 Prozent kümmern sich um Energieeffizienz. 31 Prozent nutzen Recycling, um den Rohstoffverbrauch zu reduzieren.

Derweil monopolisiert sich der Rohstoffsektor weiter: die Schweizer Konzerne Glencore (weltgrößter Rohstoffhändler) und Xstrata (Bergbauunternehmen) fusionieren – wenn die Kartellbehörden und Aktionäre zustimmen. Mit einem Zusammenschluß wäre der neue Mega-Konzern 90 Milliarden Dollar wert – bei einem Jahresumsatz von 209 Milliarden.

Foto: Zinn-Barren von Glencore: Im Gegensatz zu den deutschen Unternehmen sind Schweizer Firmen seit Jahrzehnten im Rohstoffsektor aktiv

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