© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Zeitschriftenkritik: Rolling Stone
Was ist heute links?
Christian Vollradt

Die deutsche Ausgabe des traditionsreichen Musikmagazins Rolling Stone kommt in diesem Februar ungewohnt politisch daher: „Revolution jetzt! Oder doch lieber später?“ prangt auf dem knallroten Titel. Im Inneren kommen dann zehn mehr oder minder prominente Autoren zu Wort, die eigentlich nur eine Frage beantworten sollen: Was ist heute links, wenn die FAZ den Kapitalismus geißelt und die CDU Atomkraftwerke abschaltet oder sich für Mindestlöhne erwärmt?

Linkspartei-Vize Sahra Wagenknecht untermauert die These, das politische System habe nur den Reichen gedient; daraus folgt (wenig überraschend), daß ein „verantwortungsbewußter Mensch links werden“, sich für soziale Rechte und gegen die Interessen der Herrschenden einsetzen müsse. Für Marek Dutschke, Sohn der 68er-Ikone Rudi Dutschke, hat in der aktuellen Finanzkrise die Attraktivität, nicht aber die Klarheit linker Positionen zugenommen. Selbst die Schriften seines Vaters hinterließen eher Ratlosigkeit. Für ihn „ist jemand links, der sozial-liberal, humanistisch, undogmatisch und kritisch zugleich ist“. Auf Freiheit setzt Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD; Linke müßten sich dafür einsetzen, daß die Menschen die größtmögliche Kontrolle über ihr Leben hätten. Bedroht werde dies aktuell von der „fatalen Logik der Finanzmärkte“. Andererseits habe die gesellschaftliche Freiheit zugenommen, ablesbar etwa in der Tatsache, daß heute „sogar Polizisten Ohrringe tragen“ dürfen. Offenbar weil die Anfrage von einem Musikmagazin kam, hat Nahles (oder ihr/e Referent/in) noch ziemlich bemüht die Namen John Lennon, Bob Dylan sowie The Clash erwähnt.

Für den berüchtigten Jugendpfarrer Lothar König (JF 34/11) wäre Jesus heutzutage ein Linksextremist und die Kirche eine terroristische Vereinigung; wobei er im Umkehrschluß wohl eher sagen will: Christen müssen linksextrem sein... Auf die Anfänge des Christentums verweist auch Spiegel-Autor Matthias Matussek in seiner Stellungnahme: Für ihn enden aber die Parallelen recht früh, weil die urchristlichen Revolutionäre „persönlich haftbar gemacht“ wurden. Im Unterschied zur (aktuellen) Linken, die deshalb „obsolet geworden“ ist. Ähnlich negativ lautet auch das Fazit von Fernsehmoderator Jörg Thadeusz („Links ist heute vor allem langweilig“), Journalistin Güner Balci („Wir sind links und müssen auf nichts verzichten“) sowie dem Alt-Punk Karl Nagel: „Eine linke Brille nimmt einem zwar die Last eigener Beobachtung ab und ist eine schöne Ersatzreligion, gibt aber auch anderen die Möglichkeit, dich am Nasenring durch die politische Arena zu führen.“

Und sonst? Außer Albumkritiken, Konzertvorschau und Filmtips eine kleine stilübergreifende Jahresvorschau, in der die Redaktion zwölf Musiker vorstellt, mit denen man dieses Jahr rechnen muß (von mittlerweile etablierten Popsternchen wie Lana del Rey bis zur deutschen Indie-Band „Die Heiterkeit“), eine „Home-Story“ beim legendären früheren Magermodel Twiggy sowie ein sehr lesenswertes Porträt über Synchronsprecher, die deutschen Stimmen diverser Hollywood-Größen.

Kontakt: Rolling Stone, Postfach 10 03 31, 2002 Hamburg, Telefon: 040 / 4 68 60 51 65. Das Einzelheft kostet 5,90 Euo, das Jahresabonnement 65 Euro.

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