© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Lockerungsübungen
Eine Frage des Überlebens
Karl Heinzen

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu Protokoll gegeben, daß Deutschland nicht als eine militärische Führungsmacht anzusehen ist. Da er als Ressortverantwortlicher wie kein anderer überblickt, wozu unsere Streitkräfte imstande sind, ist diese Einschätzung nicht von der Hand zu weisen. Sie kann allerdings auch von Beobachtern mit weitaus weniger Fachkompetenz geteilt werden und dürfte daher niemanden überraschen. Der Bundeswehr sind durch den Einsatz in Afghanistan die engen Grenzen ihrer Möglichkeiten aufgezeigt worden. Als Ergebnis ihrer Neuausrichtung wird sie nur noch Aufgaben meistern können, die durch das Grundgesetz eigentlich gar nicht vorgesehen sind. Da sie hierbei stets in multinationale Koalitionen eingebunden sein dürfte, bleibt sie von der Zumutung verschont, durch ihren Beitrag den Ausschlag geben zu müssen. Zudem kann sie sich damit trösten, daß ihr Scheitern in irgendwelchen Einsätzen die Sicherheitslage Deutschlands nicht nennenswert beeinträchtigen würde.

Auch wenn das, was de Maizière formuliert hat, somit bloß eine Binsenweisheit ist, war diese Klarstellung überfällig. Die Tradition außenpolitischer Bescheidenheit und militärischer Zurückhaltung der Bundesrepublik ist in der Amtszeit des Kriegskanzlers Schröder nachhaltig beschädigt worden. Was einst eine Selbstverständlichkeit war, muß daher heute eigens betont werden. Überdies sind ausnahmslos alle relevanten Bündnispartner in EU und Nato zu ökonomischen, fiskalischen und mitunter auch politischen Sanierungsfällen geworden. Unser Land sieht sich in eine Führungsrolle gedrängt, die es gar nicht erfüllen möchte. Hier standhaft zu bleiben, ist mehr noch als das Festhalten an der Friedenswährung Euro eine Überlebensfrage.

Zwei Weltkriege waren nötig, um Deutschland die fatalen Ambitionen auszutreiben, die Geschicke Europas maßgeblich zu bestimmen. Sie dürfen auch nun nicht wieder aufleben, wo manche Partner hilfesuchende Blicke nach Berlin richten. Stattdessen gilt es, aus der Feststellung des Verteidigungsministers geeignete Schlußfolgerungen zu ziehen. Wenn Deutschland keine Führungsmacht sein will, heißt dies nicht, daß es sich aus der Verantwortung stiehlt. Es bekundet vielmehr seine Bereitschaft, weiterhin von anderen geführt zu werden.

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