© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Der ägyptische Indiana Jones
Ein Porträt über Zahi Hawass, die ebenso mysteriöse wie einflußreiche Schlüsselfigur des archäologischen Erbes am Nil
Wolfgang Kaufmann

Zahi A. Hawass war bis vor kurzem ein einflußreicher, ja mächtiger Mann in Ägypten, wobei der Beginn seiner Karriere auf das Jahr 1969 datiert. Damals wurde Hawass vom Supreme Council of Antiquities (SCA) des Nil-Landes zum Inspektor für die Altertümer in Tuna el-Gebel, Edfu und Mallawi ernannt. Seitdem ging es für den selbsternannten „ägyptischen Indiana Jones“ kontinuierlich bergauf: 1970 unterstanden ihm schon die Fundstätten im gesamten westlichen Nildelta und Alexandria, dann fungierte er zwischen 1972 und 1974 als Inspektor der weltbekannten Pyramiden von Gizeh sowie der Tempelanlage von Abu Simbel, woraufhin Beförderungen zum Ober- bzw. Chefinspektor des Areals von Gizeh erfolgten.

Doch damit nicht genug, denn 1987 erwarteten den Mann, der immer wieder betont, daß er gerne in der Rolle des legendären Pharaos Cheops gewesen wäre, noch höhere Weihen: Nach dem erfolgreichen Abschluß seines Promotionsverfahrens an der University of Pennsylvania avancierte Hawass zum Generaldirektor für die Altertümer in Gizeh, Sakkara und Bahariya. Dem schloß sich 2002 die Ernennung zum Generalsekretär des SCA an. Aber auch das war noch nicht der Gipfel der Laufbahn des umtriebigen Ägyptologen. Diesen erklomm er erst zum Jahreswechsel 2010/11, als er vom damaligen Präsidenten Hosni Mubarak zum Staatsminister für Altertümer-Angelegenheiten berufen wurde.

Daß der aus einfachen Verhältnissen kommende Hawass eine der Schlüsselfiguren des Mubarak-Imperiums und der Altertumsforschung war, erkannte das amerikanische Time Magazine bereits im Jahre 2006, denn es nahm den Möchtegern-Pharao in die Liste der „Top 100“ der einflußreichsten Menschen der Welt auf. Und in der Tat – die Zahlen sprechen für sich: Mit der Ernennung zum Chef des Ministry of State for Antiquities Affairs (MSAA) unterstanden Hawass immerhin an die 30.000 Mitarbeiter (genauso viele Angestellte hat beispielsweise die US-Raumfahrtagentur Nasa).

Dazu kam die Verfügungsgewalt über die Einnahmen aus der gewaltig boomenden Vermarktung der ägyptischen Altertümer. So spülte allein das Ägyptische Museum in Kairo zu Zeiten des noch prosperierenden Tourismus jährlich 37,5 Millionen Euro in die Kassen der Hawass-Behörde. Die Gesamtbeträge, welche das SCA erwirtschaftete, werden sogar auf mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Diese hohen Gewinne resultierten dabei übrigens nicht zuletzt daraus, daß viele einfache Mitarbeiter mit kümmerlichen Monatslöhnen um die 50 Euro abgespeist wurden.

Den Ministerposten bekleidete Hawass allerdings nur ein reichliches halbes Jahr, dann mußte er seinen tausendfach fotografierten Hut nehmen. Schuld daran war der „Ägyptische Frühling“. Als offensichtlicher Günstling des gestürzten Mubarak-Clans, welcher wohl auch Einnahmen aus dem Pharaonengeschäft an die Präsidentenfamilie durchgeschleust hatte, besaß der Ägyptologe natürlich von vornherein schlechte Karten. Dazu kam Hawass’ problematisches eigenes Geschäftsgebaren, das dazu führte, daß er im April 2011 zu einem Jahr Haft mit Zwangsarbeit und 10.000 Pfund Geldstrafe verurteilt wurde – allerdings machte die ägyptische Justiz 24 Stunden später einen ebenso unerklärlichen wie überraschenden Rückzieher und hob das Urteil wieder auf.

Kurz darauf wurde bekannt, daß der oberste Antiquitäten-Wächter kostbare althistorische Artefakte aus dem Besitz des ägyptischen Staates für eine Werbekampagne zugunsten seiner privaten Modekollektion zweckentfremdet hatte. Doch selbst das reichte noch nicht aus, um Hawass endgültig ins Aus zu katapultieren. Vielmehr stürzte er erst im Juli 2011 über die bis heute nur zum Teil geklärten Vorgänge während der Kairoer „Nacht des Zorns“ am 28./29. Januar 2011. Damals belagerten die wütenden Massen nicht nur die Zentrale der Mubarak-Partei NDP am Tahrir-Platz, sondern auch das unmittelbar benachbarte Ägyptische Nationalmuseum. Deshalb rückten schließlich Eliteeinheiten des Militärs an, welche den Schutz des Gebäudes übernahmen und zahlreiche Demonstranten, aber wohl auch Plünderer, verhafteten. Nachfolgend ist es dann offenbar zu Folterungen in den Kellern des Museums gekommen. Und da Hawass der für diese Einrichtung zuständige Minister war, wurde er hierfür selbstverständlich mitverantwortlich gemacht.

Über all die genannten Sachverhalte informiert das neueste Buch von G. F. L. Stanglmeier. Zusätzlich will der Autor die Leser darüber aufklären, daß unter Hawass ebenso dubiose wie geheime Forschungen stattfanden: So soll der SCA-Chef DNA-Untersuchungen an Königsmumien initiiert haben, welche der „Nationalen Sicherheit“ unterfielen. Ebenso sollen in der Cheopspyramide und anderswo in Gizeh inoffizielle Erkundungen durchgeführt worden sein. Und Hawass soll Verbindungen zur esoterischen Association for Research and Enlightenment (ARE) haben, welche das Erbe des „Propheten“ Edgar Cayce verwaltet; deshalb durfte die ARE auch 2009 unterhalb der Sphinx nach verborgenen Kammern suchen. Allerdings kann Stanglmeier für seine diesbezüglichen Behauptungen keinerlei verwertbare Belege vorweisen.

G. F. L. Stanglmeier: Zahi Hawass – Ägyptens letzter Pharao. Kopp Verlag, Rottenburg 2011, gebunden, 272 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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