© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Frisch gepresst

Fritz Fischer. Wie die meisten Renegaten, so fiel auch bei Fritz Fischer (1908–1999), als Schüler völkischer Aktivist, nach 1933 NSDAP-Mitglied und Protektionskind Walter Franks, des „Historikers der Bewegung“, die weltanschauliche Wende besonders radikal aus. Wollte der Historiker 1939 noch den wesentlichen Schuldanteil Englands am Ersten Weltkrieg beweisen, so behauptete er in seinem 1961 veröffentlichten Opus „Griff nach der Weltmacht“ gerade das Gegenteil, die „Alleinschuld“ der wilhelminischen Eliten. Das verhalf ihm zu einem in seiner Disziplin einzigartigen, von Politik, Presse, Universität und Schule multiplizierten öffentlichen Einfluß. Fischers Thesen stehen am Anfang der nach 1968 forcierten „Selbstverdunkelung der deutschen Geschichte“ (Gerhard Ritter), die seit langem den Kern bundesdeutscher Ideologieangebote bildet. Obwohl die geschichtspolitische Dimension von Fischers Wirken schon öfter thematisiert worden ist, fehlte bislang eine derart tiefschürfende Untersuchung, wie sie der pensionierte Pirmasenser Studiendirektor Gunter Spraul mit seiner grundgelehrten, gleichwohl keinen Augenblick langweilenden Studie über den „Fischer-Komplex“ nun vorlegt. Ein großes Stück „Gegen-Aufklärung“. (ob)

Gunter Spraul: Der Fischer-Komplex. Projekte Verlag, Halle 2012, gebunden, 522 Seiten, 24,50 Euro

 

Letzte Tage. Vielleicht läßt sich der Kampf und „das bittere Ende zwischen Weser und Elbe 1945“ an Dramatik nicht mit dem Untergang der Reichshauptstadt vergleichen. Dennoch hat das letzte Aufgebot aus zersplitterten Wehrmachtsdivisionen sowie Ersatzeinheiten von Waffen-SS, Volkssturm und Reichsarbeitsdienst der übermächtigen 2. britischen und 9. US-Armee, die zudem die völlige Luftherrschaft besaßen, nach deren Übersetzen über die Weser bei Hameln am 6. April 1945 noch fast einen Monat energischen Widerstand geleistet. Wie Ulrich Saft, pensionierter Oberstleutnant der Bundeswehr, in der jetzt neuaufgelegten, umfangreichen und detailfreudigen Arbeit von 1988 belegt, diente dieser völlig aussichtslos scheinende Widerstand immerhin dem Zweck, den vor der Roten Armee zurückflutenden Flüchtlingströmen den Weg nach Norddeutschland offenzuhalten. (bä)

Ulrich Saft: Der Kampf um Norddeutschland. Lindenbaum Verlag, Schnellbach 2011, gebunden, 698 Seiten, Abbildungen, 39,80 Euro

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