© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

„Berliner Kreis“ der CDU
Domestizierte Konservative
Dieter Stein

Nach den aktuellen Meinungsumfragen zu urteilen, sitzt die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende fest im Sattel: Die andauernde Euro-Krise beschert Angela Merkel bemerkenswert hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Durch die permanente „Euro-Rettung“, die täglich neue, dramatische Fernsehbilder liefernden Gipfel und Sondersitzungen, auf denen es mit Milliarden und Billionen zu jonglieren gilt, ringt Merkel dem lange skeptischen Publikum einen eigenartigen Respekt ab.

Insofern kämpfen versprengte innerparteiliche Merkel-Kritiker derzeit gegen Windmühlenflügel, insbesondere, wenn sie sich im hundertsten Anlauf um die Sammlung der Konservativen in der Union bemühen. Der „Berliner Kreis“, von einigen Landes- und Bundestagsabgeordneten angeschoben, ist ein solcher bislang halbherziger Versuch. Die CDU-Spitze reagiert trotzdem alarmiert und warnt vor „Zersplitterung“, wenn nun darangegangen wird, den Kreis zu institutionalisieren: Seit Adenauer ging es um die Einbindung und Domestizierung konservativer Milieus unter Ausschaltung ihrer organisatorischen Eigenständigkeit. Es bestünde nämlich immer die Gefahr, Strukturen zuzulassen, die potentiell andere Mehrheiten organisieren könnten – bis hin zur Vorstufe der Gründung einer neuen Partei.

Eine „Partei rechts der Union“ geistert seit der Sarrazin-Debatte, dem Beginn der abenteurlichen Euro-Rettung und dem Absturz der FDP als Gespenst immer drohender durch die Flure des Adenauer-Hauses in Berlin. Angela Merkel hat allen demoskopischen Höhenflügen zum Trotz mit einer Reihe von abrupten Kehrtwenden Verunsicherung in Partei und Anhängerschaft hinterlassen: der überstürzte Atomausstieg, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Ächtung Sarrazins (obwohl eine erdrückende Mehrheit der CDU-Anhänger seine Thesen teilt) und die umstrittene Euro-Rettung.

Eine der Mitinitiatorinnen des „Berliner Kreises“, die Brandenburger CDU-Chefin Saskia Ludwig, präzisiert in einem programmatischen Aufsatz für die JF (siehe Seite 18), daß es ihr nicht um eine konservative Rückzugsposition geht, sondern darum, das von der FDP, die 2009 noch fast 15 Prozent Wählerstimmen erhielt, geräumte Terrain zu erobern; nicht nur das Konservative, sondern auch das von Allmachtsansprüchen des Staates bedrohte „Liberale“ zu besetzen – wie es Merkel auf dem Leipziger Parteitag 2003 versuchte.

Ein Zurück zu klassischen Milieus wird es nicht mehr geben. Das alte Parteiensystem ist in Auflösung begriffen. Die Bindungskraft der Parteien läßt dramatisch nach. Eine Piratenpartei reüssiert auch deshalb, weil Wähler die Arroganz der politischen Klasse und den Mangel an direkter Mitwirkung leid sind. Ob der „Berliner Kreis“ zu einem Mittel der direkten Mitwirkung wird, ist jedoch mehr als fraglich.

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