© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Schatten der Vergangenheit
Niedersachsen: Die schwarz-gelbe Landesregierung bemüht sich krampfhaft um Schadensbegrenzung in der Wulff-Affäre
Christian Vollradt

War es Zufall? Oder eine ausgeklügelte Medienstrategie der niedersächsischen Landesregierung zur Bewältigung der Affäre um den ehemaligen Ministerpräsidenten? „Warum in aller Welt tut Wulff McAllister das an?“ fragte Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) vergangene Woche vorwurfsvoll via Bild-Schlagzeile. Ausgerechnet in dem Blatt, das seit Monaten den Bundespräsidenten vor sich hertreibt, wetterte der stellvertretende Regierungschef, Christian Wulff lasse seinen Nachfolger David McAllister (CDU) durch falsche Informationen im Regen stehen.

Hintergrund des Vorwurfs ist die im Landtag hitzig debattierte Frage, ob sich Niedersachsen 2009 an der Finanzierung der Veranstaltungsreihe „Nord-Süd-Dialog“ beteiligt hatte oder nicht. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), zuvor noch persönlich von McAllister zur Klärung nach Berlin ins Schloß Bellevue entsandt, hatte zunächst behauptet, die Veranstaltung sei rein privat finanziert worden; um einen Tag später unter der Last neuer Fakten zuzugeben, das Land habe sich doch finanziell beteiligt. Möllring, ein langjähriger und besonders enger Vertrauter von Wulff, konnte seine Wut nur mit Mühe im Zaum halten; um den Bundespräsidenten jedoch nicht weiter zu demontieren, machte der Christdemokrat als Schuldigen für diese Panne den ehemaligen Wulff-Sprecher Olaf Glaeseker und dessen „unorthodoxe Arbeitsweise“ in der Staatskanzlei verantwortlich. Von Glaeseker, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt, fühle er sich „beschissen“, schäumte Möllring. Für seinen Kabinettskollegen Bode liegt die Verantwortung jedoch andernorts: „Wulff war für die Antwort mitverantwortlich. Was genau er gewußt hat, wird jetzt zu klären sein.“

Sofort danach schossen Spekulationen ins Kraut. Version eins: Ministerpräsident McAllister habe seinen Stellvertreter vorgeschickt – als liberalen „Testballon“, um herauszubekommen, wie die Öffentlichkeit wohl auf solche deutlichen Abgrenzungen reagiert, ohne sich dabei selbst dem Vorwurf des politischen Vatermords auszusetzen. Version zwei: Der FDP-Mann, 2009 von Wulff selbst als Nachfolger Philipp Röslers ins Amt geholt, habe in erster Linie parteipolitisch motiviert gehandelt, um für seine angeschlagene Truppe zu retten, was zu retten ist. Glaubt man, daß in der Unionsführung nur mit einhelligem Kopfschütteln auf Bodes Äußerungen reagiert wurde, ist Version zwei stimmiger.

Vier Tage nach den freimütigen Klagen seines Stellvertreters, am vergangenen Freitag, wandte sich dann der Ministerpräsident höchstselbst an die Öffentlichkeit. Im Interview mit der Welt – wie die Bild ein Produkt des Springer-Verlags – ging McAllister in die Offensive. Aus „Respekt vor dem Amt und der Verfassung“ werde er sich nicht an der Debatte um Wulff beteiligen, stellte er zu Beginn klar. Um dann en passant zu erwähnen, daß er erstens dem „Nord-Süd-Dialog“ keine Schirmherrschaft mehr angetragen habe, seit acht Jahren einen selbstgekauften Familien-Volkswagen fahre, drittens sein Haus mittels der Volksbank finanziert habe und viertens seinen Urlaub im heimatnahen Cuxhaven verbringe. Zack!

Ohne daß er ein einziges Mal seinen Vorgänger und Ziehvater Wulff erwähnte, ohne sich ausdrücklich von dessen anstößiger Nähe zu Wirtschaftsvertretern und zur Bussi-Bussi-Gesellschaft, dessen fragwürdigem Finanzgebahren beim Hauskauf sowie Urlauben zu distanzieren, signalisierte McAllister: Zwischen mir und ihm liegen Welten.

Der 41 Jahre alte Regierungschef weiß, daß er die Landtagswahl im Januar kommenden Jahres nur dann erfolgreich bestreiten kann, wenn es ihm gelingt, sich einerseits der lästigen Affären-Altlast seines Vorgängers Wulff zu entledigen, andererseits aber die Kontinuität der seit 2003 regierenden schwarz-gelben Koalition zu repräsentieren. Und er weiß auch, daß die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei am genauen Gegenteil interessiert ist. In Umfragen rangiert die Union mit 36 Prozent vor SPD (32) und Grünen (17); eine bürgerliche Mehrheit würde es jedoch wegen des Einbruchs der FDP (drei Prozent) nicht mehr geben. „Wir müssen unsere Kraft in die Sachpolitik stecken,“ appellierte daher CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Und sein Landtagskollege Frank Oesterhelweg, Vorsitzender des Landesverbands Braunschweig, seufzte, er wünsche „ein Ende dieser unseligen und sehr belastenden Diskussion“.

Foto: Ministerpräsident David McAllister (CDU) mit Wulff in Öl: Zwischen beiden liegen Welten

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