© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Im Kielsog des Hasses
Brennpunkt Eritrea/Äthiopien: Wie der Dauerkon ikt das Horn von Afrika destabilisiert
Marc Zöllner

Die Danakil-Senke gilt gemeinhin als Hölle auf Erden. Lodernde Vulkane, deren Lava sich in Fontänen über die schroffen Gebirgszüge ergießt, Schwefelbecken, Salzseen, Dürre und beständige Tageshitze von bis zu 45 Grad im Schatten hinterlassen ihre Spuren in einer lebensfeindlichen Umgebung, deren Wassermangel die hiesigen Nomaden zum steten Kampf unter- und gegeneinander animiert.

Es sind gerade die harschen Bedingungen in der von Nomaden bevölkerten Wüste an der äthiopischen Grenze zu Eritrea, die Jahr für Jahr unzählige Touristen ins Land locken. Abenteurer auf der Suche nach dem besonderen Kick am Rande des Horns von Afrika, nach spektakulären Aufnahmen von der Drift zweier Kontinentalplatten jagend.

Doch wo früher Karawanen von Kamelen und Jeeps ihren Weg durch die staubigen Pfade des Danakil zogen, patrouillieren nun Hundertschaften an Militär und Bereitschaftspolizei vorbei an frisch gespannten Stacheldrahtzäunen, die sich über viele Kilometer hinweg nach Eritrea erstrecken.

Nach dem gewaltsamen Tod von fünf europäischen Touristen, darunter zwei Deutschen sowie einem Österreicher, bereitet Äthiopien sich auf den Ernstfall vor. Oder, wie Eritrea behauptet, auf einen Angriffskrieg gegen den kleinen, vor gut zwanzig Jahren erst von Äthiopien unabhängig gewordenen Nachbarstaat. Dabei ist Eritrea so unschuldig nicht. Und die Afar, jener Stamm von Nomaden, der sich in der Ödnis des Danakil quält und seit kurzem mit Überfällen auf Touristen weltweit Schlagzeilen generiert, nur ein weiterer Spielball im strategischen Kalkül der Diktatur in Asmara, die ostafrikanische Staatengemeinschaft zu destabilisieren, um dem äthiopischen Erzrivalen endgültig den tödlichen Dolchstoß versetzen zu können.

Die Antwort Addis Abebas erfolgte prompt. „Die Toleranz der äthiopischen Regierung einem Regime gegenüber, welches offen Terrorismus fördert“, so das äthiopische Außenministerium, „wird täglich zwangsläufig dünner. Äthiopien kann und wird nicht untätig herumsitzen, während das Regime in Asmara weiterhin ungestraft Terrorakte innerhalb der Grenzen Äthiopiens finanziert.“

Drohungen, die angesichts der blutigen Erfahrung des äthiopisch-eritreischen Krieges von 1998 bis 2000 ernst zu nehmen sind. Beim damaligen Versuch Asmaras, die Grenzstreitigkeiten um einige wenige unbedeutende Dörfer auf militärischem Wege zu entscheiden, starben auf beiden Seiten über 70.000 Soldaten und Zivilisten.

Der Krieg endete in einer verheerenden Niederlage Eritreas. Seitdem rüstet die Diktatur am Roten Meer nicht nur kontinuierlich auf – gemessen an der Bevölkerung besitzt Eritrea nun nach Nordkorea das zweitgrößte Heer der Welt –, sie verlagert ihre außenpolitischen Ambitionen überdies auf mehrere Stellvertreterkriege in Äthiopien, in Somalia und mittlerweile sogar in Kenia. „Die isolierte eritreische Regierung unterstützt Terroristen wie die Al-Shabaab und gefährdet den Frieden am ganzen Horn von Afrika“, so Äthiopiens Regierungssprecher Bereket Simon. Äthiopien behalte sich lediglich „das natürliche Selbstverteidigungsrecht vor“, habe jedoch „die äthiopisch-eritreische Grenze bislang nicht überschritten“.

Ob sich Addis Abeba jedoch überhaupt einen Zweifrontenkrieg leisten könnte, ist zu bezweifeln. Allein die militärische Intervention gegen die islamistischen Milizen der „Union der Islamischen Gerichte“ sowie später die islamistische Al-Shabaab verschlang einen Großteil des äthiopischen Staatshaushaltes, ohne effektiv Wirkung erzielt zu haben.

Asmara versteht diesen Umstand zu nutzen, sind doch gerade die Ziele Al-Shabaabs nahezu identisch mit jenen Eritreas: die Brechung der Hegemonie des christlich dominierten Äthiopien am Horn von Afrika, die Abtretung der vorrangig von Somalis besiedelten äthiopischen Provinz Ogaden an einen islamistischen somalischen Staat, schlußendlich die wirtschaftliche Zerschlagung des äthiopischen Kernlandes durch die Isolation von sämtlichen Hafenstädten der Region.

Finanzielle Mittel hierfür aufzubringen, ist Eritrea ein leichtes: Seit 1995 ist jeder Auslandseritreer gleich welcher Staatsbürgerschaft verpflichtet, zwei Prozent seines Einkommens an den Mutterstaat abzuführen. Und von diesen leben allein in Europa und Übersee mittlerweile weit über eine halbe Million, eine Zahl, die weiter unkontrolliert zu wachsen droht. Das Problem der Einwanderung aus Eritrea, Äthiopien und Somalia macht sich mittlerweile auch in Europa bemerkbar. So mußte Malta bereits Aufnahmehilfe in Norwegen, den USA und Liechtenstein beantragen, Griechenland wiederum plant dieser Tage den Bau eines elf Kilometer langen Grenzzaunes zur Türkei, um der illegalen Einwanderung vor allem aus diesem Krisengebiet Herr zu werden.

Foto: Nomade in der Danakil-Senke: Selten gewordene Bilder der Einsamkeit, seit langem prägen Patrouillen und Stacheldraht die Landschaft

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