© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Rechner an und fertig
Erfolgsgeschichte „Browsergames“: Ein neues Geschäftsmodell bringt Computerspielbranche durcheinander
Henning Hoffgaard

Er hat sich durch die Darbmoor-Sümpfe, die Swerfield-Weiden und die Königskrypta von Kingshill gekämpft. Rudin ist ein Drachenkämpfer der Stufe 16, bewaffnet mit einem mächtigen Schwert und Schild. Er ist ein exzellenter Kämpfer und hat die schlimmsten Monster seiner Zeit besiegt. Und, Rudin hat ein Problem: Seine Andermant-Vorräte sind erschöpft.

Keine neuen Rüstungen mehr, keine neuen Zauberrollen und Heiltränke. Jetzt hat Rudin, oder besser gesagt der Spieler, der hinter dem Charakter in „Drakensang-Online“ steht, zwei Möglichkeiten: Entweder er ärgert sich tagelang monoton mit weit unterlegenen Gegnern herum, die nach ihrem Tod vielleicht ein paar wenige Andermant fallen lassen, oder er klickt auf den praktischerweise in die Menüleiste eingebauten „Andermant kaufen“-Knopf.

Hier kann er echte Euro gegen die interne Spielwährung eintauschen. 1.500 Andermant für 1,99 Euro oder gleich 128.000 für 109 Euro. Zahlbar per Lastschrift, Kreditkarte, Paypal und ein halbes Dutzend anderer Überweisungsmöglichkeiten.

Aber auch die 128.000 Einheiten der Spielwährung sind irgendwann aufgebraucht und wollen nachgekauft werden. Ein geniales Spielkonzept: Die Spieler werden mit einer Gratis-Basisversion gelockt, müssen aber im Verlauf des Spiels, in das zu diesem Zeitpunkt schon Dutzende Stunden kostbarer Freizeit geflossen sind, zunehmend auf Bezahlinhalte zurückgreifen. Zumindest wenn der Spielspaß erhalten bleiben soll.

„Drakensang-Online“ steht beispielhaft für eine neue Generation von Browserspielen, die in den vergangenen Jahren, bestärkt durch große Werbekampagnen im Fernsehen und besonders im Internet, immer populärer geworden sind. Der Kauf von teuren CDs und DVDs entfällt. Bei Browserspielen benötigt der Spieler nur noch einen Internetzugang und einen Browser wie Firefox, Safari oder den Internet Explorer.

Die ersten Spiele dieser Art waren, wenn überhaupt, schlecht animiert und konnten vor allem durch das Ankoppeln an aktuelle Trends punkten. So etwa das „Monstersgame“, bei dem der Spieler sich virtuell in einen Vampir oder Werwolf verwandeln konnte, zwischendurch jedoch stundenlang zum Warten verdammt war, weil der Charakter gerade auf Beutejagd war, über deren Ergebnis er dann lediglich in einer kurzen lieblosen Nachricht informiert wurde.

Mit derlei Kleinigkeiten brauchen sich „Drakensang Online“ oder „Battlestar Galactica Online“ nicht mehr messen zu lassen. Mit Java-Script und der neuesten Technologie wurden Welten erschaffen, die tiefgründiger und optisch realistischer sind, als so manches teuer im Laden gekaufte klassische Computerspiel. Hinzu kommt durch die direkte Interaktion mit anderen Spielern ein gesteigertes Spielvergnügen. Daß dabei noch nicht die Qualität von „World of Warcraft“ oder dem aktuellen Teil von „Call of Duty“ erreicht wird, versteht sich von selbst.

Hinter diesen allein in Deutschland hunderttausendfach verkauften Titeln stehen Großkonzerne wie Activision. Der bekannte Spielehersteller beschäftigt Tausende von Mitarbeitern und erwirtschaftete allein 2010 einen Jahresumsatz von 4,447 Milliarden Dollar.

Der Branchenprimus für Browserspiele in Deutschland, die Bigpoint GmbH, kommt dagegen auf mickrige 97,4 Millionen Euro, hat jedoch einen deutlichen Vorteil: Illegale Downloads, gebrannte DVDs und Produktpiraterie, unter denen die klassische Computerspielindustrie leidet, sind kein Problem. Es gibt eben nichts zum Herunterladen. Computer an und fertig.

Dagegen wurden frei verkäufliche Spiele wie „Battlefield: Bad Company 2“ oder „Call of Duty: Black Ops“ allein auf der halblegalen Tauschbörse Torrent mehr als vier Millionen Mal heruntergeladen.

Ähnliche Vorteile haben auch andere sogenannte „Free2Play“-Spiele, wie das sehr populäre „World of Tanks“, bei dem die Spieler mit den unterschiedlichen Panzermodellen aus dem Zweiten Weltkrieg gegeneinander antreten. Auch hier ist die Grundversion gratis, während man sich mit echtem Geld Vorteile erkaufen kann.

Im Gegensatz zu den Browserspielen müssen hier jedoch mehrere Gigabyte auf den eigenen Computer geladen werden. Dafür wird der Spieler auch nicht mit mehr oder weniger intelligenten Computergegnern behelligt, sondern tritt gegen echte Menschen an. Mehrere hunderttausend Spieler haben sich mittlerweile bei „World of Tanks“ angemeldet. Etwa jeder Zehnte davon hat bereits reales Geld in seine Panzer oder neue Munition investiert.

Ein lohnendes Geschäftsmodell, das ohne weiteres das Potential hat, die Spielkultur im Internet deutlich zu verändern. Während derzeit noch vergleichsweise kleine Firmen den Markt der Gratis-Onlinespiele kontrollieren, könnte sich die Attraktivität dieses Genres mit dem Einstieg internationaler Großfirmen und noch besserer Spielqualität weiter steigern. Der Gang zu Media Markt könnte so bald der Vergangenheit angehören.

Foto: Browserspiel: Nutzer steigen kostenlos ein und müssen erst in einer fortgeschrittenen Spielphase zahlen

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