© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Umwelt
Buchen sterben
Volker Kempf

An antiquarischen Büchertischen zu schmökern kann eine richtige Zeitreise sein, etwa zurück in die achtziger Jahre. Damals gab es einen Sammelband mit dem Titel „Das Waldsterben“ und toten Bäumen auf dem Schutzmschlag. Wer mag das herausgegeben haben? Der Arbeitskreis Chemische Industrie. Das dürfte viele überraschen. Doch das Waldsterben wurde seinerzeit von Fachleuten als ein reales Problem anerkannt. Im Vorwort zur zweiten Auflage von 1984 heißt es, daß die Darlegungen dazu beigetragen hätten, Rauchgasentschwefelungsanlagen durchzusetzen. Der Schwefeldioxid­ausstoß habe sich um 90 Prozent verringert. Problemzonen blieben die an den Ostblock angrenzenden Gebiete. Geblieben sind aus jener Zeit die alljährlichen Waldzustandsberichte. Diese machen immer wieder deutlich, daß die Wälder keineswegs gerettet sind. Vor allem Stickoxide aus Landwirtschaft und Verkehr sowie Ammoniak aus der Massentierhaltung machen den Bäumen zu schaffen.

Die Buche gilt aktuell als besonders kränklich. Dabei trugen die Buchen in den letzten Jahren ungewöhnlich viele Früchte. Für forstwirtschaftliche Laien wie auch für Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) mag das eindrucksvoll gewesen sein, für Fachleute gab es indes seit langem Warnsignale, die nicht mehr übersehen werden können, mahnte BUND-Chef Hubert Weiger. Der Anteil der Buchen mit deutlicher Kronenverlichtung habe sich auf 57 Prozent erhöht und übertreffe den bisherigen Höchststand von 2004. Nur zwölf Prozent seien noch ohne Kronenverlichtungen, heißt es in dem Bericht des Agrarministeriums. Als die Rede vom Waldsterben aufkam, wurde mehr „Emotionsfreiheit“ gefordert. Heute hat sich das mit Blick auf den Wald mehr als damals durchgesetzt. Genau davor warnte Carl Amery 1983 und setzte dagegen auf die „deutsche Seele“. Der deutsche Wald, es geht ihm nicht gut. Möge sich also die „deutsche Seele“ regen und die Politik bewegen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen