© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

CD: Pankow
Deutsche Stones
Christian Dorn

Aus einem Tag im Leben des Lehrlings Paule Panke“ ist nach dreißig Jahren ein „Neuer Tag in Pankow“ geworden. So lautet der abgeklärte und schamlos selbstreferentielle Titel des neuen Albums der legendären Ost-Berliner Kapelle Pankow, die hier den endgültigen Beweis erbringt: Im deutschen Rock’n’Roll ist das Präfix „ost“ zu streichen. Denn ohne sie darauf zu reduzieren, kommt es – wenn überhaupt – allein dieser Band zu, als „deutsche Stones“ apostrophiert zu werden.

So rockt und rollt es hier, daß es eine helle Freude ist – und derzeit vielleicht näher an den Stones als diese selbst. Wenngleich sämtliche Bandmitglieder erstklassige Musiker sind, prägend sind fraglos Sänger André Herzberg und Gitarrist Jürgen Ehle. Von ihnen stammen auch fast alle neuen Songs.

1981 gegründet, markierten Pankow – die sich provokant nach dem Berliner Stadtbezirk der SED-Nomenklatura benannten und zugleich lautmalerisch mit dem Punk kokettierten – schlechthin die Zäsur im „Rockmusikschaffen“ der DDR, nicht zuletzt durch ihre Rockopern, die – etwa mit „Hans im Glück“ – einen Frontalangriff auf den sozialistischen Lebensentwurf probten. Ende der Achtziger lieferten sie dann mit dem zeitweise verbotenen Song „Langeweile“ den Soundtrack zum Ende DDR.

Die wichtigsten Stücke dieser Zeit sind jetzt auf der Doppel-CD „In Aufruhr – Die Anthologie“ zu finden, die parallel zum neuen Album erschienen ist. Neben dem ersten Jahrzehnt der Bandgeschichte umfaßt dieses auch die folgende Dekade inklusive jener Alben, die Pankow ohne Herzberg produzierte, als dieser auf Solopfaden wandelte. So sind hier auch der veritable Rainer Kirchmann zu hören oder das berührende Lied „Und du wärst gar nicht da“ des zeitweiligen Bandkollegen Jens Jensen, das in einfachen Worten das ungeborene Leben besingt. Dokumentiert sind zudem „apokryphe“ Stücke wie die Ärzte-Nummer „Hipp Hipp Hurra“ und Songs des Theaterprogramms „Kille, kille Brecht“.

Mit dem „Neuen Tag in Pankow“ aber ist die Band in der Gegenwart angekommen, etwa in einer Rockabilly-Nummer Herzbergs: „Bevor du anfängst fragen / nicht neger sagen / auf nazis schimpfen / korrekt korrekt“. Der Song bezieht sich nicht zuletzt auf die Sarrazin-Debatte, zu der sich Frontmann André Herzberg auch in einem Interview mit dieser Zeitung geäußert hatte (JF 37/10).

Was die Lieder auf dem neuen Album verbindet, ist augenscheinlich das grenzenlose Selbstzitat. Selbstironisch gebrochen, zeigt sich Pankow im besten Sinne desillusioniert und doch mitreißend, etwa im Song „Ich wachte auf“ oder in dem leitmotivischen Bekenntnis „Es gibt keine besseren Zeiten“. Doch dank André Herzberg winkt im Refrain von „Babel“ auch die Apokalypse um die Ecke. Bis zur nächsten Tour im Oktober 2012 bleibt ja noch Zeit.

Pankow, Neuer Tag in Pankow Buschfunk, 2011 www.buschfunk.com

Pankow, In Aufruhr – Die Anthologie Sony Music, 2011 www.sonymusic.de

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