© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Gedenkfeier für Terroropfer
Fragwürdige Symbolpolitik
Dieter Stein

Die Bundesregierung hat in Berlin im Konzerthaus am Gendarmenmarkt vergangene Woche eine zentrale Gedenkfeiert für die Mordopfer der sogenannten „Zwickauer Terrorzelle“ durchgeführt. Im Zentrum standen die Hinterbliebenen der zehn mutmaßlich von Rechtsextremisten Ermordeten, die jahrelang im Ungewissen darüber lebten, wer ihre Angehörigen getötet hatte. Es waren neun Bürger türkischer und griechischer Abstammung sowie eine Polizistin, die der Attentatsserie zwischen 2000 und 2007 zum Opfer gefallen waren.

Flankiert wurde die Trauerfeier von einer Schweigeminute, zu der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und staatliche Behörden bundesweit aufgerufen hatten. So wurden auch in zahlreichen Schulen auf Empfehlung der Kultusbehörden Schweigeminuten veranstaltet.

Bewegend waren für mich die Worte Ismail Yozgats, dessen Sohn 2006 ermordet worden war. Der Vater bedankte sich für angebotene finanzielle Hilfe, möchte sie aber nicht annehmen, und erklärte, daß es sein größter Wunsch sei, „daß die Mörder gefaßt werden, daß die Helfershelfer und die Hintermänner aufgedeckt werden“. Ein Wunsch, mit dem er jedem Bürger aus dem Herzen spricht und mit dem er sein Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat verband.

Es ist richtig, daß der Staat und die Öffentlichkeit politische Gewalt ächten sowie Opfer und deren Angehörigen der Solidarität versichern. Daran hat es bislang eigentlich keinen Zweifel gegeben. Von jeher geschieht dies im Rechtsstaat durch die rückhaltlose Aufklärung von Verbrechen und die Verurteilung der Täter. Es ist dabei keine Petitesse, daß im Fall der „Zwickauer Terrorzelle“ die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Zudem ist auch noch immer kein vollständiges Licht ins Dunkel der peinlichen geheimdienstlichen Verstrickungen in- und ausländischer Dienste im Fall der „Zwickauer Zelle“ gebracht worden.

Skandalös ist, daß die Kanzlerin den zivilreligiösen Trauerakt mit fragwürdigen politischen Proklamationen verknüpfte und die Opfer damit für die innenpolitische Auseinandersetzung instrumentalisierte. Sie nahm zudem in hochproblematischer Weise quasi die Mitte der Gesellschaft in Mithaftung für die fremdenfeindlichen Morde einer Killertruppe: „Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und Ausgrenzung muß täglich geführt werden“ (Merkel) – indes erleben genau dies Bürger überwiegend in Form von Übergriffen von Ausländern, ob in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Schulen. Ein Tabu, das zuletzt Thilo Sarrazin verletzt hatte.

Die Pflicht der Bundeskanzlerin und des Staates ist es, sich für alle Verbrechensopfer und Opfer aller politischer oder rassistischer Gewalt gleichermaßen einzusetzen. Doch Opfer werden offenkundig nach politischem Kalkül sortiert.

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