© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Die Unbeugsame
Kino: „Die Eiserne Lady“ mit der grandiosen Oscar-Gewinnerin Meryl Streep in der Titelrolle als britische Regierungschefin Margaret Thatcher
Wolfgang Paul

Schon die Ankündigung, daß Meryl Streep die Rolle der Margaret Thatcher in einem Film über deren Leben übernehmen werde, sorgte für Schlagzeilen in der Fachpresse. Das weckte Neugier, und wenn das Unternehmen gelingen würde, wären der Schauspielerin zumindest Nominierungen für Golden Globe oder Oscar sicher. Denn Helen Mirren hat es vorgemacht. Sie gewann für ihre Darstellung der Queen gleich beide Preise. Jetzt hat sich herausgestellt: Meryl Streep ist nicht weniger wandlungsfähig. Sie hat am vergangenen Sonntag zu dem Golden Globe vom Januar und dem Ehrenbären der diesjährigen Berlinale ihren dritten Oscar hinzugewonnen.

Bei dem Perfektionsdrang des Hollywood-Stars hätte es schon überrascht, wenn die Verwandlung in Englands umstrittenste Politikerin nicht überzeugend gelungen wäre. Zumal auch ihr treuer Maskenbildner J. Roy Helland, neben ihrem Gatten der zweite wichtige Mann in ihrem Leben, wie sie bei der Oscar-Zeremonie bekanntgab, erneut für ihr Make-up zuständig war und diesmal ebenfalls mit einem Oscar belohnt wurde. Die Ähnlichkeit der Kopie mit dem Original war schon auf den vorab veröffentlichten Bildern verblüffend. Eine Meryl Streep schaut uns auf dem Plakat entgegen, mit der Geste: Seht her, wie ich mich verwandelt habe!

Solche Auftritte besitzen beim Publikum einen hohen Unterhaltungswert. Man geht ins Kino, um Aussehen, Bewegungen und natürlich die Stimme (eine deutsche Synchronisation sollte sich hier im Grunde verbieten) zu überprüfen. Ist alles gut getroffen, ist Mrs. Thatcher so dargestellt, wie wir sie in Erinnerung haben? Das Kino kehrt zum Jahrmarkt und seinen Sensationen zurück. Hat die Frau ohne Unterleib tatsächlich keinen Unterleib?

Nun wäre es ungerecht, „Die Eiserne Lady“ nur auf diesen Schauwert zu reduzieren. Meryl Streep ist ein wenig zu füllig, macht aber insgesamt ihre Sache hervorragend. Ihr nimmt man die herrische Politikerin ebenso ab wie die alten Dame, die heimlich zum Milchkauf ausgerückt ist. Denn das ist der zweite Trick des Films. Die Eiserne Lady ist im Alter schwach geworden. Sie zu bekämpfen lohnt nicht mehr. Die einstmals Unbeugsame ist an Demenz erkrankt.

Aus der Perspektive dieser hilfsbedürftigen alte Dame erzählt der Film „Die Eiserne Lady“ mit großer Ernsthaftigkeit. Ein Umstand, den man nach der kommerziell erfolgreichen, aber inhaltlich eher belanglosen Musicalverfilmung „Mamma Mia!“, der letzten Zusammenarbeit der ansonsten im Theater tätigen Regisseurin Phyllida Lloyd mit Meryl Streep, nicht unbedingt erwartet hätte.

Wehmütig erinnert sich Mrs. Thatcher an wichtige Stationen in ihrem Leben, die der Film in Rückblenden zeigt. An ihre Jugendzeit: Margaret Roberts wächst auf als Tochter eines bei den Konservativen engagierten Kolonialwarenhändlers („a grocery’s daughter“). Sie verliebt sich in den aufgeschlossen-konservativen Denis Thatcher und weist ihn vorsorglich darauf hin, daß sie als seine Gattin nicht das Heimchen am Herd zu werden beabsichtigt (das junge Paar wird von Alexandra Roach und Harry Lloyd gespielt). Später, und da agiert Mrs. Streep zusammen mit Jim Broadbent als Denis Thatcher, ist sie die Politikerin, die erkennt, daß sie selbst die Führung der Konservativen Partei übernehmen muß, um das Land voranzubringen. Es folgen Korrekturen an Frisur und Kleidung, um ihre Chancen bei den Wahlen zu erhöhen.

Ihre elfeinhalbjährige Regierungszeit ist bekanntlich geprägt von einer harten Anti-Gewerkschaftspolitik, einem Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft, in deren Gefolge England seine einst angesehene Industrie verlor, was im Film nicht vorkommt. Der zeigt markante Ereignisse, die für Mrs. Thatcher eine hohe persönliche Bedeutung haben dürften. Der Bombenanschlag der IRA auf das Brighton Grand Hotel 1985 ist zu sehen, und natürlich kommen die Auseinandersetzungen um den Falkland-Krieg vor, für den sie sich entschieden hatte. Sie verhandle nicht mit Diktatoren, sagt sie.

Der Film argumentiert nicht politisch, und das hat ihm bereits viel Kritik eingebracht. Statt dessen zeigt er eine oft isolierte Frau, die unerbittlich für ihre Überzeugungen kämpft. Da schimmert – vor allem bei der jungen Margaret – zwar auch etwas Frauenbewegtes durch, doch überwiegt bei weitem das persönliche Schicksal. Umgab sie in ihrer aktiven Zeit ein Kokon der Halsstarrigkeit, so bestimmt jetzt die Trauer um ihren verstorbenen Mann ihr Leben. Ihren einzigen Beistand vermißt sie so sehr, daß sie sich vorstellt, mit ihm zu frühstücken und ihn liebevoll zu maßregeln. Den toten Mr. Thatcher lebend zu zeigen und damit der dementen Witwe einen schizophrenen Zug zu verpassen, dürfte bei ihren englischen Fans schlecht angekommen sein.

Aber wenn man so will, ist die traurige Stimmung, die den Film durchzieht, auch eine politische Äußerung. Sie rührt nicht nur von Thatchers Trauer um den geliebten Ehemann her. Auch ihr Lebenswerk ist nicht gerade vom Erfolg gekrönt. Aus Großbritannien ist kaum das blühende Land geworden, das sich die Eiserne Lady erhofft hatte.

Foto: Meryl Streep als Margaret Thatcher: Unerbittlich kämpfte sie für ihre Überzeugungen

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