© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Frisch gepresst

Bautzen. „Wir wollen nicht verrecken!“ Schreiend forderten die Häftlinge 1950 im „Gelben Elend“ eine Besserung der unmenschlichen Zustände in der völlig überfüllten Landesstrafanstalt Bautzen, benannt nach ihren gelben Klinkersteinmauern. 1945 übernahmen die sowjetischen Besatzer diesen Knast für „Politische“ von den Nationalsozialisten. Mit Übergabe an die deutsche Verwaltung erhofften sich die Häftlinge eine bessere Verpflegung und Behandlung. Aber es wurde schlimmer. Nach vergeblichen Hungerstreiks kam es zu Aufständen. Darüber erfuhr man im Westen über geschmuggelte Briefe von Insassen. „Immerhin war es doch die erste Protestunternehmung drüben, lange vor dem 17. Juni 1953“, erinnert sich der wohl prominenteste Insasse Walter Kempowski, der hier bis 1956 einsaß. Harald Knaußt selbst war neun Jahre in Bautzen inhaftiert. Er erlebte die beiden Aufstände am 13. und am 31. März 1950 mit, die er als Mitglied des Opfervereins Bautzen-Komitee in einer Denkschrift dokumentiert. (af)

Bautzen Komitee e.V.: Der vergessene Aufstand. Briefe – Berichte – Bilder. sks-Druck, Mörlenbach 2011, broschiert, 167 Seiten, gegen Spende zu erwerben (www.bautzen-komitee.de

 

Kollektiverfahrung. Die zwischen 1946 und 1969 geborenen Jahrgänge wurden von Eltern großgezogen, die den Zweiten Weltkrieg durchlitten. So prägt die reichsdeutsche Gemütslage noch heute die bundesrepublikanische Gegenwart tiefgreifend. Davon gehen jedenfalls immer mehr Psychologen und Historiker aus, die seit kurzem versuchen, die Erinnerungen der „Kinder der Kriegskinder“ zu erforschen. Es ist daher konsequent, wenn auch die Berliner Familientherapeutin Gabriele Baring bei kollektiv tradierter Kriegserfahrung ansetzt, um die Deutschen zu verstehen. Wie stets bei solchen sozialpsychologischen Sondierungen, die seit Alexander und Margarete Mitscherlich bestrebt sind, ein Volk auf die Couch zu legen, stören auch bei Baring manche Verallgemeinerungen. Dennoch eröffnet sie verbüffende Zugänge zu mentalen Strukturen der politischen Klasse. Denn parteiübergreifend rekrutieren sich die „Chefebenen“ aus den Kohorten der „vaterlosen Gesellschaft“. Angefangen bei den Kriegshalbwaisen Schröder, Lafontaine, Müntefering, den „Scheidungsopfern“ Wulff und Westerwelle bis zum Flüchtlingskind Sigmar Gabriel. (wm)

Gabriele Baring: Die geheimen Ängste der Deutschen. Scorpio Verlag, München 2011, gebunden, 316 Seiten, 19,95 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

3. März 1981: Ein Bremer Gericht weist die Klage eines 23jährigen Studenten auf Anerkennung als Kriegs-dienstverweigerer ab, da er sich weigerte, seine Kfz- Fahrerlaubnis abzugeben. Als Autofahrer sei er ebenso in der Lage, einen Menschen zu töten wie als Soldat.

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